Vergiftet
liegt nur da und sonnt sich.
Die Leute um ihn herum leben.
Und anderswo sterben die Falschen.
Henning streckt sich auf dem Rücken aus und starrt in den Himmel. Tore Pulli ist tot. Nicht mehr erreichbar. Komisch, er hat das Gefühl, einen Freund verloren zu haben. Und vielleicht hat er das wirklich.
Thorleif muss an Will Smith und Staatsfeind Nr. 1 denken, als er die Karl Johans gate entlanggeht. Smith spielt in diesem Film einen Anwalt, dem sie, ohne dass er es weiß, am ganzen Körper Mikrofone und Sender installiert haben. Selbst seine Armbanduhr und seine Schuhe sind mit hoch technologischer Ausrüstung versehen, was praktisch bedeutet, dass Jon Voights NSA -Team vollen Überblick über alles hat, was Smith tut.
Thorleif hat keine Ahnung, wie fortgeschritten die technische Ausrüstung des Mannes mit dem Pferdeschwanz und seiner Mitstreiter ist, aber sie scheinen gut informiert zu sein. Und Thorleif will kein Risiko eingehen. Darum wirft er einen Blick über die Schulter, ehe er den nächsten, preislich einigermaßen akzeptablen Klamottenladen betritt und fünf Paar Socken, vier Unterhosen, eine dunkle lange Hose, Shorts, drei weiße T-Shirts, einen dünnen Baumwollpullover und eine Jeansjacke kauft. Danach besorgt er sich ein Paar Joggingschuhe. Er sucht die Toilette im Burger King auf und kleidet sich von Kopf bis Fuß neu ein. Die alten Klamotten lässt er liegen.
Er wartet ein paar Minuten, ehe er wieder nach draußen geht und dabei die Leute um sich herum und draußen auf der Straße beobachtet, bis er sich einigermaßen sicher ist, dass niemand auf ihn wartet oder ihn observiert.
In wenigen Sekunden hat er die Straße überquert und ist in den Arkaden verschwunden, wo er sich eine schwarze Schirmmütze kauft. Danach steuert er den nächsten Bankautomaten an und hebt über seine beiden Kreditkarten so viel Geld ab, wie er kriegen kann.
Thorleif zwingt sich, ruhig und gleichmäßig zu gehen, als er den Ladenkomplex auf der anderen Seite wieder verlässt und auf das Einkaufszentrum Byporten zusteuert. Er fährt zwei Stockwerke mit der Rolltreppe nach oben, während um ihn herum die Leute hin und her hasten. Er kommt an einem Café, an Bekleidungsgeschäften vorbei, wechselt einen Blick mit der hübschen Verkäuferin im Handy Size , ehe er ein Lebensmittelgeschäft, einen Buchladen und einen Kiosk passiert. Dann erreicht er den Bahnhofsbereich.
Es ist schon Wahnsinn, denkt er, einfach vor allem und jedem zu fliehen. Aber hat er eine andere Wahl? Wenn er bleibt, werden sie ihn aller Wahrscheinlichkeit nach töten, vielleicht noch heute, und wird er von der Polizei verhört, riskiert er, dass sie ihn irgendwann knacken. Dann hat er die Wahl, den Mord zu gestehen oder ihnen alles zu erzählen, wofür sich der Mann dann an Elisabeth und den Kindern rächen wird. An das Wie mag er gar nicht denken.
Doch, denkt Thorleif, es ist die beste Lösung, die Beine in die Hand zu nehmen und Land zu gewinnen. Wie lange wird es dauern, bis er vermisst wird? Guri und Ole werden sich wundern, wo er bleibt. Sie werden versuchen, ihn anzurufen, aber keine Antwort bekommen. Irgendwann werden sie sich dann bei Elisabeth melden und nachfragen, ob er zu Hause ist, wobei sie damit bestimmt so lange wie möglich warten. Im Laufe des Abends, denkt Thorleif. Bis dahin muss er sich ein Versteck gesucht haben und sich in der Zwischenzeit so unsichtbar wie nur möglich machen.
Thorleif läuft zu den großen Infotafeln im Bahnhof. Es herrscht ein Gewimmel wie in einem Ameisenhaufen. Er kann unmöglich ausmachen, ob er beobachtet wird oder nicht. Er kann nur hoffen, dass sein kleines Ablenkungsmanöver erfolgreich war.
Ein Bus kommt nicht infrage. Das wäre zu eng und zu langsam. Er geht die Liste der Fernzüge durch. Skien, Lillehammer, Bergen, Halden, Trondheim. Die Bahn nach Bergen geht in neun Minuten. Die nach Göteborg in acht. Sein Puls beginnt zu pochen, als er zu einem der roten Ticketautomaten läuft. Er tippt auf die Tastatur ein und füttert den Automaten mit Geld.
»Der Zug nach Eidsvoll fährt in wenigen Minuten von Gleis 10 ab.«
Thorleif nimmt das Ticket an sich und rennt los. Noch vier Minuten bis zur Abfahrt des Zuges. Und eine Sache hat er noch zu erledigen.
49
Als Ørjan Mjønes sein Spiegelbild in den Schaufenstern sieht, kann er nur mit Mühe ein Lächeln unterdrücken. Alles ist nach Plan gelaufen. Seinem Plan. Und diesmal ohne Schnitzer.
Verflucht perfekt!
Aber noch ist es nicht vorbei. Die letzte Etappe
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