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Vergiftet

Vergiftet

Titel: Vergiftet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Enger
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»Aber sollte sich zeigen, dass er vergiftet worden ist: Wie würden Sie so etwas erkennen?«
    »Es ist überhaupt nicht sicher, dass wir das erkennen.«
    »Aber sollte es einen Verdacht geben …«
    »Dann bitten wir das Rechtstoxikologische Institut um weitere Untersuchungen. Die Toxikologen nehmen nicht an der eigentlichen Obduktion teil, sie bekommen nur die Proben. Aber wenn sein Tod wirklich mit Gift zu tun haben sollte – ich unterstreiche aber mit Nachdruck, dass das jetzt reine Spekulationen sind –, muss es sich um ein Nervengift handeln.«
    »Er hat sich vor seinem Tod nicht mehr bewegen können, und seine Atmung war gelähmt.«
    »Aha«, antwortet Dr. Omdahl langsam.
    »An was denken Sie?«
    »Also, es könnte – ich betone: könnte – sich um ein Neurotoxin oder ein kardiotoxisches Gift handeln. Aber all diese Spekulationen führen eigentlich zu nichts. Wir müssen ihn erst einmal untersuchen.«
    »Das verstehe ich, und ich habe auch nicht vor, in meiner Zeitung darüber zu spekulieren. Wie viele solcher Gifttypen gibt es?«
    »Oh, das sind viele. Verdammt viele. Hunderte. Aber das sollten Sie lieber das Rechtstoxikologische Institut fragen. Die gehören inzwischen zum Institut für Volksgesundheit. Der genaue Name lautet Abteilung für Rechtstoxikologie und Drogenforschung.«
    »Okay, ich kann da ja mal anrufen.«
    »Tun Sie das.«
    »Und wie würde eine Leiche aussehen, die Gift in sich hat?«
    »Ein reines Nervengift, das die Atmung lähmt, führt zum Tod durch Ersticken, während das Herz noch schlägt. Das sollte dann zu einer Blaufärbung der Haut und der Schleimhäute führen. Wenn es sich um die Kombination eines Neurotoxins und eines kardiotoxischen Gifts handelt, sind die Folgen vermutlich beinahe gleichzeitige Atemlähmung und Herzstillstand, und dann sieht man äußerlich gar nichts. Aber auch wenn der Atmungsapparat gelähmt ist, bevor das Herz aussetzt, sieht man allenfalls ganz leichte Erstickungsmerkmale.«
    »Okay«, sagt Henning. »Ich verstehe, wir sollten wohl abwarten.«
    »Da haben Sie recht.«
    »Ganz herzlichen Dank für Ihre Hilfe.«
    »Keine Ursache.«
    Henning legt auf und hebt den Blick. Auf dem Bildschirm vor ihm starrt Pulli auf Brenden. In seinem Blick ist so etwas wie Empörung zu erkennen.
    Henning reibt sich die Arme. Er weiß nicht, warum, aber irgendwie lässt ihn dieses Bild frieren.
    65
    Iver Gundersen sieht auf die Uhr. Kent Harry Hansen hätte vor fünfundzwanzig Minuten kommen sollen. Iver hatte schon viele Fälle, in denen Quellen nach reiflicher Überlegung zu dem Schluss gekommen sind, lieber doch nichts zu sagen. Das geschriebene Wort ist mächtig, besonders wenn man seine Worte hinterher selbst verantworten muss, ob man sie nun geschrieben oder gesagt hat.
    Aber von Hansen hätte Iver das nicht erwartet. Er war schnell bereit gewesen, mit ihm über Tore zu sprechen, sofern sie sich in Sagene, in der Nähe seiner Wohnung, trafen. Deshalb wartet Iver nun im La Casa Spiseri , einem Restaurant, das mit seinem Duft Lust auf Tapas machte.
    Er will nicht gleich aufgeben und bestellt deshalb ein Clubsandwich und ein Bier. Ich sollte Nora mal hierher mitnehmen, denkt er. Die weiß gekalkten Wände, die großen roten Fliesen auf dem Boden und die farblich passenden Tische erzeugen eine warme, angenehme Atmosphäre.
    Zum Glück hat sie ihm schließlich doch noch geantwortet und gesagt, dass sich Essen und Kino ganz nett anhörten. Ganz nett! Iver schnaubt innerlich. So etwas sagt man doch nicht zu seinem Liebhaber. Ob sie das auch zu Henning gesagt hat?
    Als die Bedienung ihm ein von außen beschlagenes Glas mit angenehm goldener Flüssigkeit bringt, betritt ein kompakt gebauter Mann mit sonnengebräuntem Gesicht und kreideweißen, kurz geschorenen Haaren das Restaurant. Auf seinem stramm sitzenden schwarzen T-Shirt prangt rot-weiß das Logo von Kraft & Respekt . Hansen hat schwarze Tätowierungen auf den Armen, sie leiten den Blick zu seinen schenkeldicken Oberarmmuskeln, die die Ärmel des T-Shirts derart spannen, dass die Blutzufuhr fast schon beeinträchtigt sein müsste. In seinem linken Ohrläppchen glänzt etwas, das wie ein Diamant aussieht, bestimmt aber nicht mehr als einen Hunderter gekostet hat.
    »Sorry, dass ich so spät dran bin«, sagt Hansen und kommt mit wiegenden, energischen Schritten auf Iver zu.
    Iver steht auf und streckt ihm die Hand entgegen.
    »Ich habe Ihre Nachricht gelesen, aber dann hatte ich da plötzlich einen Kunden stehen, der

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