Vergiftet
kriegt.«
»In Ordnung. Haben wir sonst noch was, womit wir unseren Drachen füttern können?«
»Wie wär’s mit der Beerdigung? Da wird eine selige Mischung aus Prominenten und bad guys zusammenkommen.«
»Das bringt nur etwas, wenn wir im Vorfeld ein paar Namen herauskriegen. Außerdem wird das einige Zeit in Anspruch nehmen.«
»Ja, blöde Idee.«
»Aber wir sollten trotzdem hin. Und wenn wir uns in den Fall vertiefen wollen, müssen wir mit ein paar Leuten reden. Kent Harry Hansen, zum Beispiel. Er ist der Chef des Studios, in dem Tore Pulli trainiert hat. Dort sind auch die meisten seiner Freunde zu finden.«
»Okay. Ich versuche, ihn zu erreichen.«
»Gut. Wenn du dich mit ihm face to face unterhalten willst, würde ich dir allerdings raten, dich nicht im Klub mit ihm zu treffen. Die sehen es nicht so gern, wenn Journalisten dort aufkreuzen. Überhaupt wäre es clever, sich in der Nähe dieser Jungs besonnen zu bewegen.«
»Ich hab schon härtere Winternächte überlebt.«
»Jetzt hast du wieder diesen Keiner-kann-mir-was-anhaben-weil-ich-Journalist-bin-Blick. Der wird dir schon vergehen, wenn du erst eins auf die Fresse bekommen hast.«
Iver mustert Henning.
»Ich weiß, dass du der Meinung bist, dass mich das einen Scheißdreck angeht, aber woher weißt du das alles? Ich meine, wo Pulli trainiert hat, was da für Leute rumhängen, wie sie heißen und so weiter?«
Henning bleibt stehen. »Ich habe gestern Abend ein bisschen recherchiert«, sagt er knapp.
»Ja, offensichtlich.«
Henning macht keine Anstalten, das weiter zu vertiefen. Stattdessen sagt er: »Solltest du Hansen erwischen, hätte ich ein paar Ideen, was du ihn fragen kannst.«
62
Als Henning ins Besprechungszimmer kommt, ist es ebenso verwaist wie am Morgen. Er schließt die Tür und schiebt die DVD ein. Mit aufgesetztem Kopfhörer beobachtet er Pullis Gesicht und alles, was im Raum vor sich geht: von den Bewegungen der Kameramänner über die Kabel bis hin zu den Scheinwerfern. Henning hat im Internet keine Fotos von Brenden gefunden, er glaubt aber, dass es der Mann mit dem schütteren Haar und dem Bart ist. Unter der militärgrünen Fotoweste trägt er ein rotes T-Shirt mit einem Foto, das Henning nicht erkennen kann.
Er denkt an die Frage, die sein Mentor, Jarle Høgseth, ihm oft gestellt hat. Wenn Henning Sätze vor sich hin murmelte wie »Das verstehe ich jetzt nicht« oder »Da komme ich einfach nicht weiter«, hatte der Mann ihn mit einer einfachen Frage dazu gebracht, das Problem erneut, aber aus einem anderen Blickwinkel zu studieren: »Was bedeutet verstehen?«
»Na, wissen! Zu wissen, was etwas bedeutet.«
»Es gibt zwei Möglichkeiten zu sehen, Henning. Sieht man nicht hin, sieht man das Wesentliche nie. Aber sieht man nur etwas weniger, sieht man vielleicht viel mehr.«
Høgseth erklärte ihm auch, was er damit meinte, und formulierte dabei eine Lehre, die Henning für all sein journalistisches Tun verinnerlichte:
»Alle Journalisten sehen den Referenten an, der spricht, schließlich sind sie ja seinetwegen gekommen. Aber häufig ist es viel interessanter, seinen Nebenmann zu beobachten oder meinetwegen seine Ehefrau, um zu sehen, wie die reagieren. Es kommt darauf an, auf Dinge zu achten, die sonst niemand beachtet.«
Henning studiert Brenden. Als Pulli hereinkommt, nicken sie sich zu und begrüßen sich per Handschlag, bevor Pulli Platz nimmt. Die Kamera folgt seinen Bewegungen. Brenden kommt wieder ins Bild. Er befestigt ein Mikrofon an Pullis Brust, führt ein Kabel an der Seite seines Körpers nach unten und auf sich selbst zu, ehe er seine Hand auf Pullis Rücken legt und ihn etwas näher zum Tisch schiebt. Brendens Kontakt mit Pulli dauert vielleicht zehn oder fünfzehn Sekunden. Dann ist wieder nur Pulli zu sehen.
Henning spult die Aufnahme zurück und lässt die exakt gleiche Sequenz noch einmal laufen. Und noch einmal, bevor er die Stopptaste drückt und Brendens linke Hand fokussiert. Sie ist zur Faust geballt, auch als er das Mikrofon an Pullis T-Shirt befestigt. Henning sieht sich die Hand in Zeitlupe an. Sie ist die ganze Zeit über geschlossen. Als Brenden sich an Pulli wendet, um ihm zu sagen, dass er sich etwas mehr aufrichten soll, sind seine beiden Hände hinter Pullis Nacken. Auf einmal zuckt Pullis Blick zur Seite, zu Brenden, aber Brenden lässt Pulli einfach stehen und geht zurück zur Kamera. Mit zur Faust geballter Hand.
»Hm«, sagt Henning zu sich selbst, spult die Aufnahme noch
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