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Vergiftet

Vergiftet

Titel: Vergiftet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Enger
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heute krankgemeldet hat. Ihr Handy hat so lange geklingelt, bis die Voicebox sich gemeldet hat. Henning hat im Grunde gar nicht damit gerechnet, dass sie auf sein Klingeln reagiert, wollte aber trotzdem einen Versuch unternehmen. Er klingelt noch einmal. Eine weitere halbe Minute verstreicht, bis aus der Gegensprechanlage eine leise Frauenstimme zu hören ist.
    Henning stellt sich vor.
    »Entschuldigen Sie die Störung, aber ich würde gerne mit Ihnen über Thorleif reden. Es wäre sicher eine große Hilfe für Sie und Ihre Familie, wenn wir in unserer Zeitung so detailliert wie möglich über Thorleifs letzte Unternehmungen berichten würden und darüber, wo er sich aufgehalten hat. Möglicherweise gehen danach Hinweise bei uns ein, durch die er gefunden werden kann.«
    Henning hört ein Klicken durch die Gegensprechanlage. Mist, verdammt, denkt er und wartet ein paar Sekunden, ehe er noch einmal klingelt. Stille. Nur das leise Rauschen der Stadt ist zu hören. Henning flucht noch einmal, obgleich er im Grunde genommen weiß, dass Angehörige sich selten so früh gegenüber der Presse äußern.
    Er unterlässt es, noch einmal zu klingeln. Elisabeth Haaland hat genug mit sich selbst zu tun, denkt er, als plötzlich die Tür vor ihm aufgeht. Eine Frau mit blassem Gesicht sieht ihn mit verweinten Augen und verzweifeltem Blick an.
    »Elisabeth Haaland?«, fragt er.
    Sie hat dunkle Ringe unter den Augen und ist ungeschminkt. Ihr Haar ist nachlässig zu einem Pferdeschwanz hochgesteckt. Sie wickelt sich fester in ihre Jacke und schiebt sich an ihm vorbei.
    »Ich weiß, dass es ein ungünstiger Moment ist«, sagt Henning. »Aber ich wäre nicht gekommen, wenn ich es nicht wirklich für wichtig halten würde.«
    Elisabeth Haaland antwortet nicht. Henning läuft ihr nach und ignoriert den stechenden Schmerz in Hüfte und Fuß, als er versucht, mit ihr Schritt zu halten.
    »Seien Sie so gut, hören Sie sich wenigstens an, was ich zu sagen habe.«
    Haaland bleibt stehen und fährt herum. »Er wurde gezwungen, das zu tun«, sagt sie und starrt ihn mit flackernden Augen an.
    »Hm?«
    »Es war nicht Thorleif, der das getan hat.«
    »Der was getan hat?«
    »Sind Sie nicht deswegen hier?«
    Henning antwortet nicht, sondern sieht sie nur fragend an.
    Haaland führt nicht weiter aus, was sie gesagt hat, sondern dreht sich um und geht weiter.
    »Woher wissen Sie das?«, fragt er und folgt ihr.
    »Weil er es mir gesagt hat«, sagt sie, ohne sich umzudrehen.
    »Sie haben mit ihm gesprochen?«
    Sie schweigt.
    Henning läuft schneller, kämpft gegen den stechenden Schmerz in seinem Fuß an. »Was wollen Sie damit sagen, Elisabeth?«
    »Ich muss ins Polizeipräsidium.«
    »Ich kann Sie begleiten«, sagt Henning und schnappt nach Luft. »Dann können wir uns unterwegs unterhalten. Oder darf ich Ihnen anbieten, Sie in einem Taxi dorthin zu fahren?«
    Sie wirft ihm einen Blick über die Schulter zu, nickt nicht, weist ihn aber auch nicht ab.
    Henning strengt sich an, schneller zu gehen, als sie in die Bygdøy allé einbiegen.
    Auf der anderen Seite der nächsten Kreuzung stehen drei Taxis. Haaland setzt sich in das vordere. Henning bleibt davor stehen, sieht sie an.
    Sie erwidert seinen Blick. Und nickt.
    Henning setzt sich auf die Rückbank. Der Wagen rollt schon an, noch ehe er dem Fahrer mitteilt, dass sie ins Polizeipräsidium wollen. Henning gibt ihm seine Kreditkarte und lehnt sich zurück.
    »Was ist passiert, Elisabeth?«, fragt er und atmet schwer.
    Haaland sagt nichts, sie sieht ihn nur an, während ihre Augen sich erneut mit Tränen füllen. Dann schüttelt sie den Kopf.
    »Was meinten Sie damit, dass Thorleif dazu gezwungen worden ist? Denken Sie an das, was gestern im Osloer Gefängnis passiert ist?«
    Sie sieht ihn kurz an, ohne zu antworten, aber er versteht sie auch so.
    »Wissen Sie, wo er jetzt ist?«
    Sie schüttelt energisch den Kopf, und ein neuer Tränenschwall kommt.
    »Wer hat ihn gezwungen?«
    »Ich weiß nicht, wer die sind.«
    »Hat ihn jemand bedroht?« Henning ist nicht sicher, ob das Kopfschütteln bedeutet, dass sie es nicht weiß, oder ob die Angst sie jetzt vollends übermannt hat.
    »Was ist passiert?«, hakt er mit sanfter Stimme nach.
    Sie schüttelt den Kopf.
    »Hat Thorleif sich in letzter Zeit irgendwie seltsam benommen?«
    Henning sieht, dass sie nachdenkt, ehe sie nickt.
    »In welcher Weise?«
    Sie sammelt sich, wischt sich die tränenfeuchten Wangen ab.
    »Er war so abwesend, hat ein paar Tage mit

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