Vergiss das mit dem Prinzen: Roman (German Edition)
ich.
»Deine Tante hatte einen Herzanfall. Und ich bin hierhergekommen, um dich ins Krankenhaus zu bringen.«
28
Wieder an Martins Seite in seinem Auto, fühlte ich mich vertraut und irreal zugleich. Als hätte sich nichts geändert. Und doch war alles anders geworden. Er erzählte mir, was er wusste. An diesem Nachmittag war Tante Lyd in der Metzgerei zusammengebrochen. Der Metzger hatte in ihrer Brieftasche eine Karte des nächsten, notfalls zu verständigenden Verwandten mit meiner Handynummer gefunden, mich nicht erreicht und dann eine Nummer unter dem Vermerk »Rory Festnetz« angerufen. Glücklicherweise war Martin zu Hause gewesen. Er berichtete, er sei sofort zum Haus meiner Tante gefahren. Dort habe niemand gewusst, wo ich sein könnte. Der Installateur hatte Percy und Eleanor in die Klinik begleitet. Dort warteten sie jetzt auf Neuigkeiten. Und Martin hatte allein auf den kalten Stufen gesessen, um auf mich zu warten.
Vor lauter Scham fühlte ich mich ganz krank. Als würde mein Gewissen mich nicht ohnehin schon quälen, weil ich die Güte meiner Tante für selbstverständlich gehalten hatte. Und nun war diese stolze Frau beim Metzger zusammengebrochen, von Fremden in einer Ambulanz zur Klinik gebracht worden, und niemand hatte ihre nächste Angehörige informieren können. Während ich im Kino eingeschlafen war, um mich zu beruhigen, und dann Rotwein getrunken und mir selber leidgetan hatte …
Martin schaute kurz zu mir herüber. Zusammengesunken und schweigend saß ich auf dem Beifahrersitz, die Augen trocken vor Angst, und fragte mich verzweifelt, was ich im Krankenhaus erfahren würde. Er legte eine Hand auf meinen Schenkel und streichelte ihn mit seinem Daumen. Als wir zusammen gewesen waren, hatte ich ihn wegen dieser väterlichen Geste gehänselt und sie »tröstliches Daumenreiben« genannt. Jetzt fühlte ich mich nicht getröstet. Doch ich ließ ihn gewähren, denn es wäre unhöflich gewesen, ihm mein Bein zu entziehen, nachdem er sich so bemüht hatte, mir zu helfen. Ich kannte nur einen einzigen Gedanken: Tante Lyd. Martin hatte gesagt, es würde ihr bestimmt schon wieder gut gehen. Aber was wusste er schon? Ich verfluchte mich, weil ich am Abend zuvor mein Handy verloren hatte.
Ich war so bescheuert! Und endlich wurde mir klar, was ich längst hätte merken müssen: Wegen dieses Unsinns mit den unpassenden Männern und meines Versuchs, jemand zu sein, der ich nicht war, brachte ich nicht nur mich selber in Schwierigkeiten, sondern auch die Menschen, die mir etwas bedeuteten. Wer bemühte sich denn jetzt, mir beizustehen? Martin, mein einst passender Lebensgefährte. Verriet mir das nicht etwas sehr Wichtiges über den Männertyp, für den ich mich entscheiden sollte? Jedenfalls war Malky mir nicht zu Hilfe geeilt, mitsamt Gitarrenkasten und Hund.
Martin ließ mich vor dem Klinikeingang aussteigen. Dann fuhr er weiter, um das Auto zu parken, nachdem ich ihm etwas Kleingeld gegeben hatte. Offenbar waren die Parkgebühren astronomisch. Zum Glück hatte ich genügend Ein-Pfund-Stücke in meiner Börse gefunden. Vor dem Krankenhaus standen zwei dürre alte Männer in Bademänteln, mit prall gefüllten Infusionsbeuteln verbunden. Mit gelblichen Fingern teilten sie sich eine Zigarette.
»Können Sie mir sagen, wo die Kardiologie ist?«, fragte ich, während sich die automatische Tür vor mir öffnete.
Der Mann direkt neben mir hustete in seinen Ärmel und keuchte: »Flügel G, Liebes.« Mitfühlend lächelte sein Gefährte mich an.
Statt Zeit zu vergeuden und auf den Lift zu warten, rannte ich die Treppe hinauf. Außerdem wollte ich mich irgendwie bestrafen, weil ich Tante Lyd im Stich gelassen hatte. Nach vier Stockwerken glaubte ich, meine Lungen würden platzen. Sobald ich halbwegs zu Atem gekommen war, stieß ich eine Glastür mit der Beschriftung Kardiologie Warteraum auf. Da saßen Percy und Eleanor auf gelben Plastikstühlen, erbärmlich winzig, die Finger ineinandergeschlungen. Ich hatte mich daran gewöhnt, die beiden täglich zu sehen, aber erst in dieser fremden Umgebung, in der harschen, antiseptischen Klinikatmosphäre, erkannte ich bestürzt, wie gebrechlich sie waren. Unsicher, verwirrt und angstvoll blickten sie mir entgegen.
»Rory, meine Liebe …« Mit einiger Mühe stand Eleanor auf. »Sorgen Sie sich nicht, Lydia wird es überstehen.«
»Wirklich?« Ich umklammerte ihre Hand. »Haben Sie meine Tante gesehen?«
»Nein.« Auch Percy erhob sich und trat an Eleanors
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