Vergiss das mit dem Prinzen: Roman (German Edition)
reden zu müssen.
Jim schenkte mir ein Glas Wein ein. Dafür war ich geradezu erbärmlich dankbar. Auch er aß nicht viel. Umso öfter füllte er sein Weinglas nach und trank so zielstrebig, als versuchte er sich zu betäuben.
Schon um halb neun beschlossen Percy und Eleanor, schlafen zu gehen. Ich konnte sie verstehen, sie wirkten völlig ermattet, und ich bewunderte sie für ihre Tapferkeit. Ich umarmte beide, und wir vereinbarten, Tante Lyd am nächsten Tag gemeinsam zu besuchen. Wahrscheinlich würden sie bereits im Morgengrauen am Frühstückstisch sitzen und auf eine Mitfahrgelegenheit zur Klinik warten.
Percy tätschelte kameradschaftlich Jims Arm. Trotz ihrer Erschöpfung bestand Eleanor darauf, den Installateur zu umarmen, und strich lasziv über seinen Rücken – bis sie von Percy weggezerrt wurde. Während sie die Treppe hinaufstiegen, hörten wir, wie sie protestierte und er schimpfte. Jim begann den Tisch abzuräumen und schabte die Essensreste von den Tellern in die Plastikbehälter.
»Lassen Sie das, Jim, ich kümmere mich darum«, sagte ich. »Heute haben Sie schon genug für uns getan.«
Er war wirklich wundervoll gewesen – besonders, wenn man bedachte, dass ich ihn nur wenige Stunden vorher beschuldigt hatte, Tante Lyd zu betrügen. Hatte ich ihn tatsächlich zu Unrecht verdächtigt? Es gab keinen einzigen Beweis gegen ihn. Welch ein seltsamer Tag … Erst hatte sich mein treuloser Ex in einen reumütigen Retter verwandelt, dann der zwielichtige Installateur in einen ehrenwerten Freund, der uns allen uneigennützig beistand. Hatte das Projekt unpassende Männer mich nicht gelehrt, die Guten von den Schlechten zu unterscheiden?
Jim schüttete den Abfall in den Mülleimer und stellte die schmutzigen Teller in den Geschirrspüler. »Kein Problem. Ich bin froh, dass ich Ihnen helfen kann. Sonst würde ich mich ziemlich mies fühlen. Ihre Tante war sehr nett zu mir.« Unbehaglich schaute er mich an und schien neue Beschuldigungen zu erwarten.
»Tut mir leid, Jim, ich war furchtbar gemein zu Ihnen.« Der Wein und die Gewissensbisse lockerten meine Zunge. »Keine Ahnung, warum … Vielleicht aus Eifersucht, weil Sie sich so gut mit Tante Lyd verstehen. Das war kindisch. Tut mir ehrlich leid. Seit Sie hier sind, waren Sie immer nur freundlich und hilfsbereit. Sicher wüsste meine Tante gar nicht mehr, wie sie ohne Sie zurechtkommen sollte.«
Er schloss die Tür des Geschirrspülers und setzte sich neben mich. Dann füllte er schon wieder sein Weinglas und nahm einen großen Schluck. »Sie müssen sich nicht entschuldigen, Rory. Nach der Trennung von Ihrem Freund waren Sie auf die Unterstützung Ihrer Tante angewiesen. Und ich hätte Lydias Zeit nicht so in Beschlag nehmen dürfen. Aber sie kann einem tolle Ratschläge geben.«
»Ja, da haben Sie recht.« Nachdenklich drehte ich mein Weinglas hin und her. »Dabei ist sie manchmal sehr streng. Aber niemals lieblos.«
»Genau.« Er lachte leise. »Das ist das Besondere an ihr.«
Eine Zeit lang schwiegen wir. Tante Lyd würde sich freuen, uns so zu sehen. Vermutlich würden wir uns nicht anfreunden, doch wir saßen wenigstens zusammen, ohne uns anzuschreien.
»Ich verdanke ihr so viel«, sagte Jim unvermittelt, mit gepresster Stimme.
»Wirklich?«
»O ja.« Er goss den restlichen Wein aus der Flasche in sein Glas und schüttelte die letzten Tropfen heraus.
»Jim …« Zögernd unterbrach ich mich. »Heute haben Sie erwähnt, Ihre Mum sei im Krankenhaus gewesen.«
Er nickte, ohne aufzublicken.
»Und – ist sie wieder gesund?«
Er schüttelte wortlos den Kopf.
»O Jim, das tut mir so leid.« Unsicher strich ich über seinen Rücken. Ich wusste nicht, ob ich ihn trösten sollte, und fürchtete, er würde mich indiskret finden.
»Schon gut. Seither sind ein paar Jahre vergangen.« Abrupt richtete er sich auf. »Es ist nur – für mich sind Krankenhäuser furchtbare Albträume. Dort kehren all die Erinnerungen zurück.« Er starrte die gegenüberliegende Wand an und schien in viel weitere Fernen zu blicken. »Lydia war so wundervoll. Sie hat mich dazu gebracht, über meine Trauer zu reden. Meine Schwester war da keine Hilfe, und sonst gab es niemanden, mit dem ich reden konnte. Ich hatte gar nicht gemerkt, was sich alles in mir angestaut hatte, bis Lydia mich danach fragte. Seither verlasse ich mich auf sie. Wahrscheinlich zu sehr … Und – o Gott, jetzt liegt sie auch im Krankenhaus.« Stöhnend schlug er die Hände vors
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