Vergiss das mit dem Prinzen: Roman (German Edition)
Erschrocken sprang ich auf und lief zur Tür. »War der Arzt schon hier?«
»Rory, Rory, Rory.« Auch Martin stand auf, folgte mir und schenkte mir das nachsichtige Lächeln, das ich so gut kannte. Behutsam nahm er mich in die Arme, drückte meinen Kopf an seine Schulter und streichelte mein Haar. »Du musst nicht hysterisch werden. Dafür gibt es keinen Grund. Alles ist in Ordnung, ich bin bei dir.« Mit sanfter Gewalt führte er mich zu den Stühlen zurück.
Aber ich war zu aufgeregt, um mich trösten zu lassen. Von meinem Ex schon gar nicht. Ich hatte schon so lange auf Neuigkeiten über Tante Lyd gewartet, war nervös und konnte nicht still sitzen. Nun verstand ich, warum man in Filmen werdende Väter immer auf Krankenhausfluren umherwandern sah. Wenn man sich bewegte, hatte man wenigstens das Gefühl, irgendwas zu tun.
Als die Tür des Warteraums aufschwang, nutzte ich die Gelegenheit, um mich aus Martins Griff zu befreien.
»Miss Carmichael?«, fragte eine Schwester.
Nicht der Arzt. Was bedeutete das? Ich nickte und ballte die Hände zu Fäusten.
»Schauen Sie nicht so ängstlich drein«, sagte sie lächelnd. »Der Doktor lässt Ihnen ausrichten, mit Ihrer Tante sei alles in Ordnung. Soeben wurde er zu einem Notfall gerufen. Aber er meint, Sie können sie jetzt sehen.«
Wieder nickte ich. Schweigend. Martin legte einen Arm um meine Schultern. »Soll ich mitkommen?«
Ich schüttelte den Kopf. Dann erinnerte ich mich an die M & S-Tüte und hob sie vom Boden auf.
Mit schnellen Schritten eilte die Schwester mir im Korridor voraus. Dafür war ich ihr dankbar. Hätte sie mitfühlend meinen Arm genommen, hätte ich vielleicht die Fassung verloren.
»Der Doktor möchte Ihre Tante noch eine Weile zur Beobachtung hierbehalten«, erklärte sie mir über ihre Schulter. »Aber er ist sehr zufrieden mit ihren Fortschritten.« Dann blieb sie vor einer gläsernen Doppeltür stehen. Dahinter lag ein dunkler Raum. »Sie hat ein starkes Beruhigungsmittel bekommen. Vorerst wird sie nicht aufwachen. Erschrecken Sie nicht über die Geräte, an die sie angeschlossen ist. Während der Nacht müssen wir ihre Vitalfunktionen kontrollieren, um sicherzugehen, dass alles in Ordnung ist.«
Sie stieß die Tür auf, und ich folgte ihr zu einem Bett mit einem Metallgestell, auf dem Tante Lyd lag. Unter der dünnen blauen Krankenhausdecke hob und senkte sich ihre Brust. Ein Tropf war mit ihrem Handrücken verbunden. Hinter ihr blinkte ein rhythmisches rotes Licht auf einem Monitor, das ich – wie die Schwester mich angewiesen hatte – beruhigend und nicht alarmierend zu finden versuchte. Ihr Gesicht wirkte ruhig. Aber ein Bluterguss auf ihrem Kinn nahm mir sekundenlang den Atem. War sie bei ihrem Infarkt auf das Gesicht gefallen? Oder war der violette Fleck bei der ärztlichen Behandlung entstanden? Ich ergriff ihre Finger, die meine umfassten.
»Das ist nur eine automatische Reaktion«, bemerkte die Schwester hinter mir und rückte einen hölzernen Stuhl für mich neben das Bett. »Sie merkt nicht, dass Sie hier sind. Ich lasse Sie jetzt allein, okay?«
»Danke«, flüsterte ich. Das war das erste Wort, das ich über die Lippen brachte, seit sie mich aus dem Warteraum geholt hatte …
»Keine Sorge, Ihre Tante wird wieder gesund«, versicherte sie lächelnd. »In ihrer Glanzzeit war der Doktor ein großer Fan Ihrer Tante. So wie wir alle. Wir kümmern uns um sie. Fahren Sie bald nach Hause, schlafen Sie, und kommen Sie morgen wieder.«
»Ja.« Leise knarrten ihre Schuhe auf dem Linoleum, die Schwingtür zischte gedämpft. Tante Lyd atmete ruhig und gleichmäßig. Obwohl sie bewusstlos war, hatte ich seltsamerweise den Eindruck, sie würde mich trösten statt umgekehrt. Meine Schuldgefühle wuchsen. Sogar jetzt, während sie in der Klinik lag, stand ich ihr nicht bei, sondern profitierte von ihrer Kraft. Ich strich ihr das Haar aus der Stirn.
Die ausdrucksvollen dunklen Augen geschlossen, wirkte sie älter als sonst. Ihre starke Persönlichkeit verlieh ihr den Anschein der Jugend, und ich hatte sie schon als Kind für eine alterslose Frau gehalten. Jetzt, wo sie so reglos vor mir lag, registrierte ich zum ersten Mal ihr Alter. Die Angst, sie zu verlieren, krampfte mir das Herz zusammen. Ich würde alles tun, was helfen würde, sie wieder gesund zu machen. Seit ich bei ihr wohnte, hatte ich ihr nur Ärger gemacht. Das musste sich ändern. Ich spürte wieder, wie sich ihre Finger in meinen bewegten. Sobald es ihr besser ging,
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