Vergiss das mit dem Prinzen: Roman (German Edition)
lieben Ladys …«, rief Lysander gedehnt und warf sich in den tiefen, mit Chintz bezogenen Sessel am anderen Ende unseres Büros. Offensichtlich war seine normalerweise kühle Höflichkeit von einer gewissen Alkoholmenge erwärmt worden.
»O Gott, Lysander!«, kreischte Ticky und zerrte ihn aus dem Sessel. »Kannst du nicht hinschauen, bevor du deinen besoffenen Arsch irgendwo landest? Du hast dich auf Mummys neuen Fascinator gesetzt, den ich gerade bei Fenwick gekauft habe. Sie bringt mich um!«
Stöhnend zog sie eine Fenwick-Tüte hinter Lysander hervor und nahm ein beklagenswertes Gebilde aus Draht und Federn heraus, das erschlafft an einem winzigen Stoffring hing. Was ein Fascinator sein sollte, hatte ich nie ganz verstanden. Ein Hut? Eine Haarspange? Ich gehörte eben einfach nicht der Gesellschaftsklasse an, die ein sündteures, unnützes Nichts »spaßig« fand. »Wow, Jocasta, eine gelbe Strumpfhose, was für ein Spaß !« Statt: »Wow, Jocasta, du hast noch nie so lächerlich ausgesehen – als hättest du Vogelbeine!« Aber ein Fascinator war zweifellos amüsant. Sogar strenge Witwen in gnadenlosen Korsetts ließen die Hautevolee wissen, was für temperamentvolle Mädchen sie waren, indem sie sich solche Dinger auf die drahtigen Locken steckten. Natürlich war eine Luxushochzeit auf dem Lande nur perfekt, wenn auf allen Damenköpfen Fascinators prangten.
»Tut mir schrecklich leid, Victoria«, entschuldigte sich Lysander errötend. Vielleicht glühten seine Wangen auch nur vom Whisky. »Wenn deine Ma sich beschwert, kaufe ich ihr so was. Und lade sie zum Lunch ein. Seit einer Ewigkeit hab ich sie nicht mehr gesehen.«
Ticky versuchte dem Fascinator seine ursprüngliche spaßige Form wiederzugeben. »Verdammt, völlig ruiniert«, flüsterte sie.
»Wie war dein Lunch? Nett?«, fragte ich Lysander. Sein hellrosa Hemd war etwas zu weit aufgeknöpft. Also hatte er sich höchstwahrscheinlich mit einer hübschen jungen Lektorin getroffen. Er gehörte zu der Generation, die zuversichtlich glaubte, eine teilweise entblößte Männerbrust würde eine Frau genauso stimulieren wie ein weibliches Dekolleté einen Mann. Die entblößte Brust war ein völlig unpassender Look für ein Essen mit einer Lektorin, die sicherlich größere literarische Heroen entdecken konnte, als Lysander einer war – trotzdem schien bei ihm der Trick mit der halbnackten Brust irgendwie zu funktionieren. Er kam zwar nie ans Ziel, denn alle Mädchen waren halb so alt wie er, aber es mangelte ihm nie an weiblicher Gesellschaft.
»O ja, mit einer entzückenden jungen Dame von Pendragon Press.« Er sank wieder in den Sessel und plante anscheinend, den Nachmittag bei uns zu verbringen. Nach einem ausgedehnten Lunch kehrte er nur selten an seinen Schreibtisch zurück. Viel lieber schlenderte er von einem Büro zum anderen und widmete den restlichen Tag dem Austausch von Klatsch.
»Wo wart ihr denn?«, fragte ich, nicht aus Interesse, sondern weil ich wusste, dass er ein Stichwort für den Monolog herbeisehnte, den er vorbereitet hatte. In reizvolle Erinnerungen versunken, schloss er halb die Augen.
»Jeremy Wells. Chefkoch im L’Ecluse.«
»Oooh«, sagte ich höflich, weil das von mir erwartet wurde. Ich war einmal auf einen Drink ins L’Ecluse gegangen. Aber es lag außerhalb meiner finanziellen Möglichkeiten, was auch für Lysander galt. Also hatte Pendragon die Rechnung übernommen. Ich fragte mich, wann ich mich wieder unbemerkt auf den Bildschirm meines Computers konzentrieren können würde.
»Zuerst hatte ich eine Suppe mit Jerusalem-Artischocken und Speck, während Leticia …« Detailliert beschrieb er jedes Gericht und über was sie dabei geredet hatten. Die arme Leticia musste sich zu Tode gelangweilt haben, denn er hatte ihr hauptsächlich von seiner eigenen Wichtigkeit und seinen engen Freundschaften mit ihren Bossen und Autoren erzählt.
Während er aus den Tiefen des Chintzsessels heraus schwatzte, arbeitete ich unauffällig weiter. Obwohl er ihr den Job bei Country House verschafft hatte, hatte Ticky keine Geduld mit Lysander. Sie hatte seine Monologe wohl schon zu oft ertragen müssen; sie kannte ihn seit ihrer Kindheit. Mich störte seine monotone Stimme im Hintergrund dagegen nicht so sehr. Er war einfach nur ein ziemlich einsamer Mann, der ein Publikum brauchte, selbst wenn es ihm kaum zuhörte. Genauso gut konnte ein Radio laufen, das man nur beachtete, wenn es interessant wurde, und dann wieder
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