Vergiss das mit dem Prinzen: Roman (German Edition)
ist.«
»Unsere Leserbriefseite strotzt vor Zuschriften von Leuten, die meine Neuerungen großartig finden«, konterte Amanda.
»Weil du Ticky Lytton-Finch gezwungen hast, diese Briefe zu schreiben!«
Auf meinem Klositz musste ich einen Schrei unterdrücken. Ich wusste natürlich, von wem diese Briefe stammten. Wer schrieb schon an ein Magazin: Eure neuen Artikel beeindrucken mich. Weiter so! ? Niemand. Die Leute schrieben nur, wenn ihnen etwas missfiel oder wenn sie uns mit dem Magazin vom National Trust verwechselten und sich über die ungenießbaren Gurkensandwiches beschwerten. Aber ich war mir sicher gewesen, dass Martha nichts von dem Schwindel wusste. Als stellvertretende Chefin würde sie so etwas nie erlauben.
»Oh, Ticky springt nur in die Bresche, wenn die Korrespondenz, die wir brauchen, nicht rechtzeitig geliefert wird«, erklärte Amanda. »So wie die Bettertons mich engagierten, weil du nicht liefern konntest, was sie brauchen.«
Jetzt erstickte ich noch einen Schrei. Marthas Einzelkampf gegen Amanda war sinnlos und falsch – aber dieser Schlag unter die Gürtellinie völlig überflüssig. Das dachte wohl auch Martha, denn sie verstummte – wahrscheinlich tief getroffen.
»Was Rorys Dating-Kolumne angeht, bin ich ebenso skeptisch wie du, Martha. Deshalb wird sie nur auf der Website auftauchen. Aber ich dachte, du würdest dich freuen, wenn ich dir das Projekt einer Kummerkastentante anvertraue.«
Erschrocken zuckte ich in meiner WC -Kabine zusammen. Dass Amanda an meiner Dating-Kolumne zweifelte, hatte ich gewusst. Trotzdem war’s schlimm, das aus ihrem Mund zu hören.
»Eine Kummerkastentante!«, stöhnte Martha. »Und als Nächstes soll ich dann eine Astrologin suchen! Das ist doch völlig unpassend!«
»Ich kann auch jemand anderen damit beauftragen«, drohte Amanda. »Und mit anderen Aufgaben, die du ›unpassend‹ findest.«
Diesmal zuckte ich Marthas wegen zusammen. Auch wenn sie ein Albtraum war – sie tat mir leid. Da näherte sie sich in ihren bequemen, kein bisschen stylischen, billigen Schuhen dem Pensionsalter und wurde von dieser glamourösen Mittvierzigerin in ihren Louboutins zur Schnecke gemacht. Natürlich hatte Amanda recht. Martha musste es einsehen. Trotzdem – es war schmerzlich, mitanzuhören, wie Amanda sie abkanzelte.
»Gut«, sagte Martha, »ich suche eine Kummerkastentante.«
»Oh, großartig! Übrigens, Honor Blackman musst du nicht fragen – die hat’s schon abgelehnt.« Dann stöckelten die Louboutins aus der Toilette.
Reflexartig schaute ich auf meine Uhr. Sechs Minuten. Weit entfernt von Amandas Bestzeit, aber eine effektive Martha-Vernichtung.
Marthas klobige Schuhe stampften zu den Waschbecken, und ich hörte ein leises Seufzen und ein lautes Schniefen. Volle fünf Minuten lang verharrte ich auf dem Klodeckel, bis sie endlich die Toilette verließ.
Wieder in unserem Büro, sah ich Ticky auf ihrem Schreibtisch einige Münzen zählen. Offenbar hatte sie die letzte Wette gewonnen. Sobald sie meine Schritte hörte, steckte sie das Geld schuldbewusst ein.
»O Roars, du bist es nur, Gott sei Dank! Genau sechs Minuten. Hab ich gut gemacht, was?«
»Sehr gut.«
Reizten mich die Bürospiele nicht mehr, die mir früher die Zeit vertrieben hatten? Vor der Toilettentür zu kichern, wenn Martha – die früher eine so große Macht über uns alle ausgeübt hatte – zusammengestaucht wurde, war etwas anderes, als ihre Demütigung mitzuerleben.
Für sie war Country House nicht nur ein Job. An den Wochenenden besuchte sie interessante Landsitze, täglich machte sie Überstunden, und sie empfand jede Neuerung, die Amanda beschloss, wie einen Messerstich mitten ins Herz. Um eine andere Stellung zu suchen, stand sie zu kurz vor der Pensionierung. Doch sie war immer noch zu weit davon entfernt, um sich auf den erlösenden Ruhestand zu freuen. Wie ein gefangenes Tier saß sie hier fest und schnappte bissig nach jedem, der ihr zu nahekam.
Der vage Eindruck, mein plötzliches Mitgefühl für Marthas Situation würde mit dem eben erst erlittenen Schicksalsschlag in meinem Privatleben zusammenhängen, war mir irgendwie unangenehm. Sicher wäre es ein besseres Zeichen, wenn ich einfach nur schlichtes Bedauern verspüren würde, weil jemand unglücklich war.
Aber ich konnte es nicht bestreiten – mein Mitleid entsprang der Furcht, dass meine Zukunft so ähnlich aussehen könnte wie Marthas Gegenwart, wenn ich mein Leben nicht in den Griff bekam.
11
»Hallo, meine
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