Vergiss das mit dem Prinzen: Roman (German Edition)
neun würde ich Freunde zum Abendessen treffen. Ein paar Drinks in der Bar im ersten Stock konnte sogar ich mir leisten. Von der Straße aus war sie nicht einzusehen und nur mit einem Lift im Hintergrund des Restaurants zu erreichen. Deshalb war sie meistens halb leer. Ich hatte die Bar schon einmal besucht und fand sie perfekt für unser Date geeignet, ruhig und komfortabel.
Achselzuckend stimmte Sebastian meinem Vorschlag zu. Die Köpfe gesenkt, um unsere Gesichter vor dem stechenden Eisregen zu schützen, eilten wir über die Kreuzung Seven Dials. Ich riskierte einige schmerzhafte Einschläge auf den Wangen, hob den Blick und schaute zu dem neben mir gehenden Sebastian. Dabei stellte ich fest, dass er mindestens so groß war, wie seine Schwester behauptet hatte. Peinlicherweise musste ich sogar hüpfen, um mich seinen langen Schritten anzupassen. Ein Portier öffnete uns die Tür zum L’Ecluse und begrüßte uns.
Den krass modernistischen Stil des Foyers hatte ich ganz vergessen – überall weißer Marmor und kunstvoll arrangierte Orchideen. Hinter einer Theke wartete die imposante Phalanx des Empfangspersonals. Der Portier geleitete uns hinüber und zog sich an seinen Platz beim Eingang zurück.
Lächelnd wandte ich mich an eine der Empfangsdamen. »Hallo, wir würden gern einen Drink in der Bar nehmen.«
»Gewiss, Madam, Sir. Dürfen wir Ihnen die Mäntel abnehmen?«
Als eine andere Frau meinem Begleiter aus dem Mantel helfen wollte, zuckte er sichtbar zusammen. Wahrscheinlich wurde ein Kriegskorrespondent misstrauisch, wenn sich jemand unerwartet von hinten näherte. Doch dann merkte er, dass ihm kein Angriff drohte. Kampflos überließ er der Empfangsdame seinen Mantel.
Eine dritte Frau glitt über den Marmorboden heran und bat uns, ihr zum Lift zu folgen. Während wir das Restaurant durchquerten, blickte Sebastian sich wie gehetzt um. So früh am Abend waren noch keine Gäste eingetroffen. Falls er nicht fürchtete, ein Kellner könnte ihn mit einem Korkenzieher erstechen, müsste er sich eigentlich sicher fühlen. Ich hoffte, er würde sich entspannen, sobald wir die Gefahrenzone verlassen hatten, Platz genommen hatten und an unseren Drinks nippten. Die Empfangsdame holte den Lift herunter. Schweigend fuhren wir ein Stockwerk höher und wichen unseren Blicken in den Spiegelwänden aus.
An meiner Seite trat Sebastian unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. Als sich die Aufzugtür öffnete und wir in der ersten Etage von einer weiteren Empfangsdame erwartet wurden, schnaufte er irritiert. »O Gott, wie viele Leute schwirren hier um einen herum, wenn man was trinken will?«
»Ja, ich weiß …« Ich lachte nervös. Klar, das wirkt übertrieben. Und je mehr Personal, desto höher die Rechnung. Aber das ist doch nicht so schlimm, wenn man dafür an einem kalten Abend, mitten in der Londoner City in einer warmen Bar einen Drink genießt …
Schließlich saßen wir auf einem halbrunden roten Samtsofa, umgeben von plüschig gepolsterten Wänden, die ein etwas verwirrendes Ambiente erzeugten. Im Gegensatz zum minimalistischen Foyer glich der Raum einer Opiumhöhle mit Vorhängen, Girlanden, Kissen und Teppichen. In Vasen, die wie Phallussymbole geformt waren, prangten riesige exotische Blumen und verdeckten noch mehr aufmerksames Personal. Außer uns hielten sich nur ein paar andere Gäste in der Bar auf. Aber die üppige Stofffülle verschluckte die Stimmen, und es war nur ab und zu ein leises Klirren zu hören, während der Barkeeper in einer Ecke Drinks mixte. Endlich können wir uns entspannen, dachte ich und strich durch meine Haar, das die Mütze fast platt gedrückt hatte. Dann sah ich Sebastians Gesicht. Entsetzt starrte er seine Umgebung an, als würde er ein grausiges Massaker beobachten. Erinnerte ihn all das Rot an blutige Kriegsszenen?
Der Kellner reichte ihm eine Getränkekarte, und da sprang Sebastian beinahe auf.
»Sind Sie okay?«, fragte ich.
Er richtete seine hellen Augen, die im schummrigen Licht seltsam ausdruckslos wirkten, auf mich. »Es ist nur – ich hasse soziale Ungerechtigkeit.«
Keine Ahnung, was ich antworten sollte … Ich meine, wer hasste die nicht? Abgesehen von bösartigen Diktatoren und reaktionären reichen Aristokraten. Aber so, wie Sebastian das gesagt hatte, kam es mir wie eine Anklage vor. Hielt er mich für sozial ungerecht, weil ich ihn in diese Bar geführt hatte?
»Mhm, ich auch«, murmelte ich und vertiefte mich in meine Getränkekarte.
»Ich hasse
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