Vergiss das mit dem Prinzen: Roman (German Edition)
gehört?«
»Nein.« Er schaute mich lange an, und seine steinerne Miene verriet mir gar nichts.
»Sie müssen antworten: ›Wie viele‹?«
»Wie viele?«, echote er missbilligend.
»Wenn Sie’s nicht wissen , waren Sie nicht dort .«
Die Pointe fiel zwischen uns herab wie ein frisch erschossener Vogel. Beinahe sah ich auf dem Tisch seine letzten schwachen Atemzüge. Nach einem weiteren langen Schweigen runzelte Sebastian die Stirn. »Aber ich war dort. Nennen Sie mich einen Lügner?«
»Sir …« Perfekt getimt erschien der Kellner – dafür hätte ich ihn küssen können – und stellte eine Flasche vor Sebastian hin, der dankbar danach griff.
Und dann, als hätte ich meine Dekadenz noch nicht zur Genüge demonstriert, wurde mir der Cocktail des Tages serviert – ein Goldfischglas mit einer rosa Flüssigkeit, auf der exotische Blumen schwammen. Dazwischen ragten zwei silberne Strohhalme heraus. Der Kellner zückte ein Feuerzeug und zündete sie an. Es waren keine Strohhalme, sondern Wunderkerzen. Während Sebastian und ich stumm zuschauten, wie sie ihre knisternden Lichter in meinen Drink spuckten, wartete der Kellner vergeblich auf unseren Jubel.
Obwohl sich das Date noch eine qualvolle halbe Stunde lang dahinschleppte, war das der Moment, in dem alles vorbei war. Das wussten wir beide, als wir die dünnen Rauchsäulen beobachteten, die aus den toten Wunderkerzen emporstiegen.
23
Noch bevor Tante Lyd und ihre zahlenden Gäste ihre Schlafzimmer aufsuchten, kam ich nach Hause. Aus der Küche drangen Stimmen und Zigarettenrauch, was auf einen der regelmäßigen Spielkartenabende hinwies. Da wurde die inoffizielle Schlafenszeit von zehn Uhr schon mal wagemutig bis elf hinausgezögert, manchmal sogar bis nach Mitternacht. Es warf ein bezeichnendes – und schlechtes – Licht auf meine Dating-Situation, dass ich ein Schwätzchen mit meiner Tante und ihren beiden alten ZG s unterhaltsamer fand als den Abend, den ich soeben mit einem bewundernswert edelmütigen Mann in einer stylishen Londoner Bar erduldet hatte.
Immerhin hatte dieses Date einen Vorteil: Es war so leicht einzuschätzen und absolut endgültig gewesen, dass ich meine Kolumne schon in der U-Bahn konzipiert hatte. Nicht die geringste Hoffnung auf einen Anruf, nicht einmal die entfernte Möglichkeit einer Fortsetzung. Sebastian war in jeder Hinsicht unpassend. Wir passten überhaupt nicht zueinander, und er war unpassend genug für den Zweck meiner (keineswegs kriegerischen) Mission. Hätte ich die Liebe gesucht, wäre sein Desinteresse schmerzlich gewesen. Aber da ich ihn genauso uninteressant fand, blieb mein Herz unbeschadet, und ich war nur erschöpft nach all der Mühe.
Als ich den Kopf durch die Küchentür steckte, sah ich eine vierte Peron am Küchentisch sitzen. Natürlich. Jim hatte anscheinend neben seinen mangelnden Karriereambitionen auch kein Privatleben. Denn was sollte sonst der Grund sein, dass er schon wieder einen Donnerstagabend am Elgin Square verbrachte? Lächelnd hob er eine Hand und begrüßte mich. War etwa ich hier der Besuch – und er der Hausbewohner, der mich großmütig willkommen hieß?
Tante Lyd wollte sehen, wem er zuwinkte, und drehte sich auf ihrem Stuhl um. »So früh schon zurück, Rory?«
»Noch ein unpassender Mann, meine Liebe?«, fragte Eleanor mit ihrer zittrigen Stimme.
»Wahrscheinlich war ich diesmal unpassend«, gestand ich und dachte an Sebastians angewidert gekräuselte Lippen, die Reaktion auf meinen missglückten Witz.
» Sie, Rory? Sicher nicht«, entschied Percy loyal.
»Soll ich jemandem einen Drink bringen?«, erbot ich mich und hoffte, das würde mir eine Analyse meines Liebeslebens vor unserem neuen Mitbewohner ersparen.
»Nein, wir haben alles, was wir brauchen«, sagte Jim. »Setzen Sie sich doch.« Eine Frechheit, wie er mich einlud und den Anschein erweckte, ich wäre eine Außenseiterin …
»Wieso hältst du dich für unpassend, Darling?« Meine Tante legte ihre Spielkarten beiseite, zündete sich eine neue Zigarette an und blinzelte in den Rauch.
»Ach, nur ein Scherz, es war okay – der erwartete Reinfall.« Ich wollte mich an den Tisch setzen, aber den Eindruck vermeiden, ich würde es tun, weil Jim mich dazu aufgefordert hatte. Also erhitzte ich den Wasserkessel für eine Tasse Tee, die ich gar nicht wollte.
»Spannen Sie uns nicht auf die Folter, meine Liebe!« Von der Nähe des Installateurs inspiriert, strahlte Eleanor über das ganze Gesicht. »Sie wissen ja, wie
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