Vergiss das mit dem Prinzen: Roman (German Edition)
schuldbewusst auf ein Feature über Küchengärten, um meinen mangelnden Arbeitseifer zu vertuschen. Obwohl die unpassenden Männer zu meinem Job gehörten, wollte ich nicht dabei ertappt werden, wie ich im Internet die Profile fremder Männer studierte. Das wäre mir peinlich gewesen.
»Hast du Luke gesehen, Rory?«, fragte Flickers. »Vor ein paar Minuten ist er verschwunden, und ich brauche ihn für ein Mailing.«
»Oh«, sagte ich unschuldig, »ich glaube, er ist zum Papierlager gegangen.«
Zwei Minuten später hallte ein Schreckensschrei durch den Korridor, dann stürmte Luke an unserem Büro vorbei und zerrte seine Hose hoch. Zehn Minuten später verlor er seinen Praktikantenjob.
22
Im Lauf der nächsten Tage hörte ich von keinem der vermeintlich unpassenden Männer, die ich per Mail kontaktiert hatte. Dafür erschienen weitere Profile, die mich »uninteressant« fanden. Malky meldete sich nicht, und ich versuchte mir einzureden, er würde sich melden, wenn er nur meine Nummer hätte. Aber warum machte ich mir etwas vor? Der einzige unpassende Mann, der ein gewisses Potenzial besaß, vielleicht doch in meine Welt zu passen, war ebenso wie sein Hund entsetzt aus meinem Zuhause geflohen. Wäre das alles mein reales Liebesleben, hätte ich’s zu diesem Zeitpunkt beendet.
Gab es nicht die Theorie, eine Frau müsse Single-Phasen erleben, um ihre eigene Identität zu finden? So was behauptete Tante Lyd unentwegt: Die Frauen würden sich erst selber kennen, wenn sie eine Zeit lang allein gewesen seien. Möglicherweise hing ihre oft erschreckende Rechthaberei mit ihrer langjährigen Unabhängigkeit von anderen Einflüssen zusammen. Trotzdem hatte sie mich zu den Dates mit unpassenden Männern ermutigt. Vermutlich nur, damit sie als Impfstoff gegen die wirklich unpassenden fungierten. Eine kleine Dosis böser Jungs sollte mich vor den wahrhaft gefährlichen schützen. Oder vor allen Männern. Das würde ihr am besten gefallen.
Aber vorerst durfte ich nicht aufgeben und musste den Artikel über Malky veröffentlichen. Außerdem brauchte ich bald ein neues Date. Zu meiner Erleichterung erhielt ich nach einer Woche endlich eine Mail von Sebastian, dem Kriegskorrespondenten. Ich hatte ihm geschrieben, dass unsere journalistischen Berufe ja schon mal eine gemeinsame Basis waren. Dass ich für Country House arbeitete, teilte ich ihm vorerst nicht mit. Das würde er erst erfahren, wenn es mir richtig erschien – auch er würde schließlich erst im richtigen Moment den Hut abnehmen und seine Glatze entblößen. Höflich entschuldigte er sich, weil er nicht früher geantwortet hatte, er war als Zeuge vor das Kriegstribunal in Den Haag geladen worden. Wie alle etwas oberflächlichen Menschen faszinierten mich Persönlichkeiten, die sich bedeutsamen Aufgaben widmeten und sogar ihr Leben dafür riskierten, während ich mein soziales Gewissen mit ungefährlichen, regelmäßigen Spenden an Save the Children beruhigte. Würde Sebastian mir erzählen, er habe eigenhändig im Angelina-Jolie-Stil eine Waisenkinderschar gerettet, wäre ich tief beeindruckt.
Er schlug mir ein Treffen am Donnerstagabend vor der U-Bahnstation Covent Garden vor. Damit bewies er, dass er tatsächlich viele Jahre im Ausland verbracht hatte. (Natürlich war ich wachsam, denn ich erwartete, dass alle Internet-Interessenten in irgendeinem Punkt lügen würden.) Ich hätte mich lieber woanders mit ihm getroffen, aber ich wollte nicht unfreundlich sein. Auf diese Idee war er sicher nur gekommen, weil ich erwähnt hatte, ich würde in der Nähe von Covent Garden arbeiten. Deshalb stimmte ich zu und kreiste die Stelle nur etwas genauer ein, sodass es uns nicht allzu schwerfallen würde, einander zu finden. Verständlicherweise wollte ich in diesem Wahnsinnsgedränge nicht jeden großen Mann mit Hut ansprechen.
Bedauerlicherweise war der Donnerstagabend bitterkalt und regnerisch und demzufolge ein Treffen vor jeder U-Bahnstation äußerst unangenehm. Und das schlechte Wetter dezimierte die Menschenmassen vor Covent Garden kein bisschen. Gegen die Elemente gewappnet, trugen alle Männer, die allein an den erleuchteten »Oasis«-Schaufenstern vorbeigingen, Hüte oder versteckten sich unter Regenschirmen. Ich drückte mich unter der kleinsten Markise des Ladens an eine Glasscheibe und hielt Ausschau nach jemandem, der Sebastian sein könnte. Plötzlich überlegte ich, wie mein Gesicht auf einen Fremden wirken mochte. Zu freundlich und nahbar? Würde ich die
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