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Vergiss die Toten nicht

Vergiss die Toten nicht

Titel: Vergiss die Toten nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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dass wir in Winifreds Wohnung herumschnüffeln?«, fragte Mac, als sie aus dem Aufzug stiegen. »Komm schon, Nell, wir waren doch immer offen miteinander. Du bist keine Pfadfinderin, die eine gute Tat tun will. Fal s bei Walters und Arsdale wirklich Bestechungsgelder angenommen wurden, hoffst du, etwas zu finden, das Winifred belastet, damit Adams Weste wieder blütenweiß und rein ist.«
    Sie gingen den schäbigen Flur entlang. »Winifreds Wohnung hat die Nummer 4E«, sagte Nell. Sie holte die Schlüssel, die Mrs.
    Johnson ihr gegeben hatte, aus ihrer Umhängetasche.
    »Ganz normale Sicherheitsschlösser«, merkte Mac säuerlich an. »Ein Profi könnte die mit einem Büchsenöffner knacken.«
    Nel schloss auf und trat nach kurzem Zögern ein. Obwohl seit Winifreds Tod erst eine Woche verstrichen war, wirkte die Wohnung schon trist und verlassen.
    Eine Weile blieben sie im Flur stehen, um sich zu orientieren, und machten sich dann daran, die Wohnung zu erkunden. Auf einem Tisch links von der Tür stand eine Vase mit welken Blumen, ein magerer Strauß, wie man ihn in Supermärkten kaufen konnte. Das Wohnzimmer lag geradeaus. Es war ein langer, schmaler, freudloser Raum, ausgestattet mit einem fadenscheinigen Perserteppich, einem altersschwachen roten Velourssofa, einem dazu passenden Sessel, einem Klavier und einem Beistelltisch.
    Dieser war mit einem Läufer aus Spitze bedeckt, und darauf standen, ordentlich ausgerichtet, einige gerahmte Fotos und zwei identische Lampen mit Troddeln an den Schirmen. Das altmodische Arrangement erinnerte Nell an einen Film, der zur Zeit von Königin Viktoria spielte.
    Sie ging zu dem Tisch hinüber, um die Fotos zu betrachten.
    Auf den meisten war eine junge Winifred zu sehen, die einen Badeanzug trug und gerade einen Pokal entgegennahm. Das neueste Foto zeigte sie im Alter von zwanzig Jahren, eine magere, nervös lächelnde, blässliche junge Frau. »Das müssen die Fotos sein, die ihre Mutter gerne hätte«, meinte Nell zu Mac.
    »Ich packe sie ein, wenn wir gehen.«
    Nel kehrte in den Flur zurück und spähte nach links in die Küche. Dann wandte sie sich nach rechts und marschierte, gefolgt von ihrem Großvater, den finsteren Flur entlang. In dem größeren der beiden Zimmer standen ein Doppelbett, eine Frisierkommode und eine Truhe. Die Überdecke aus Chenille erinnerte Nel an die, die sie als kleines Mädchen bei ihrer Großmutter gesehen hatte.
    Das nächste Zimmer hatte Winifred offenbar als Bibliothek und Arbeitszimmer benutzt. In dem kleinen Raum drängten sich ein Sofa, ein Fernseher, ein Korb voller Zeitschriften und ein Computertisch. Die beiden Bücherregale über dem Tisch und die Reihen eingerahmter Urkunden über dem Sofa ließen das Zimmer auf Nel noch bedrückender wirken. Die Wohnung ist so deprimierend, dachte sie. Winifred hat den Großteil ihres Lebens hier verbracht, und ich wette, sie hat bis auf dieses Zimmer nichts verändert, seit ihre Mutter im Pflegeheim ist.
    »Nell, da wir die Schlossbesichtigung jetzt hinter uns haben, würde ich vorschlagen, dass du suchst, was du brauchst, damit wir endlich verschwinden können.«
    Nel wusste, dass Mac sich Sorgen machte, wenn er so brummig klang. Wie sie zugeben musste, hatte sie gar nicht daran gedacht, dass die Staatsanwaltschaft ihren Besuch in Winifred Johnsons Wohnung missverstehen könnte. Doch nun hatte ihr Großvater sie mit seinen Befürchtungen angesteckt.
    »Gut, Mac«, erwiderte sie deshalb. »Tut mir leid.« Sie ging zum Schreibtisch und zog mit einem unbehaglichen Gefühl die mittlere Schublade auf.
    Nel traute ihren Augen nicht, denn die Schublade quoll von Papieren und Zetteln jeder erdenklichen Form und Größe über.
    Von Haftetiketten bis hin zu Architekturplänen war alles vorhanden. Und auf jedes Stück Papier hatte Winifred – in Druckbuchstaben, in Schreibschrift, groß oder unleserlich winzig
    – dieselben vier Wörter geschrieben:
    WINIFRED LIEBT HARRY REYNOLDS

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D
    er Geschäftsführer des Schönheitssalons, in dem Lisa Ryan arbeitete, hatte ihr angeboten, die ganze Woche freizunehmen.
    »Sie brauchen ein bisschen Zeit für sich, Schätzchen, damit Sie anfangen können, die Sache zu verarbeiten.«
    Verarbeiten, dachte Lisa höhnisch, als sie die Kleiderhaufen auf dem Bett betrachtete. So etwas Dummes hatte sie schon lange nicht mehr gehört. Sie erinnerte sich an Jimmys verächtliche Reaktion, wenn ein Nachrichtensprecher dieses Wort nach einem Flugzeugabsturz oder einem Erdbeben

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