Vergiss die Toten nicht
sicher. Jimmy hat auf einer von Krauses Baustellen etwas beobachtet, das ihm faul vorkam. Und man stellte ihn vor die Wahl, zu gehen oder Geld dafür zu nehmen, dass er den Missstand übersah. Er glaubte, dass es seine einzige Chance war, wusste aber gleichzeitig, dass er sich zum Komplizen machte, wenn er das Geld einsteckte.
»Jimmy war ein guter, ehrlicher Mann«, meinte sie.
Sclafani nickte in Richtung Familienbild. »Das sieht man ihm an«, stimmte er zu.
Jetzt kommt es, sie wird darüber reden, dachte er gleichzeitig.
»Zwei Tage nach der Beerdigung«, begann Lisa, doch ihre Stimme erstarb, als sie hörte, wie sich die Hintertür öffnete.
Unter lautem Fußgetrappel stürmten die Kinder ins Haus.
»Mama, wir sind wieder da!«, rief Kelly.
»Ich bin hier.« Lisa sprang auf und konnte auf einmal nicht mehr fassen, dass sie beinahe einem Polizisten von dem im Keller versteckten Geld erzählt hätte, das sicher nicht auf ehrliche Weise verdient worden war.
Ich muss es loswerden, dachte sie. Es war richtig, gestern Verbindung zu Nell MacDermott aufzunehmen. Bestimmt kann man ihr vertrauen. Vielleicht wird sie mir helfen, das Geld an den Mitarbeiter von Krause zurückzugeben, dem es wahrscheinlich gehört. Schließlich hat ihr Mann Jimmy an Krause vermittelt.
Die Kinder umringten sie und küssten sie auf die Wange. Lisa sah Jack Sclafani an. »Jimmy war sehr stolz auf die drei«, sagte sie mit ruhiger Stimme. »Und dasselbe galt auch umgekehrt. Wie ich bereits sagte: Jimmy Ryan war ein guter und anständiger Mann.«
35
A
lso hatte Winifred einen Freund?«
»Ich bin überrascht«, gestand Nel ihrem Großvater.
Inzwischen hatten sie Winifreds Wohnung verlassen und fuhren in einem Taxi nach Hause. »Ich habe Adam immer damit gehänselt, dass sie für ihn schwärmt.«
»Sie hat ihn angebetet, so wie viele Frauen die Beatles oder Elvis Presley vergöttert haben«, entgegnete Cornelius MacDermott
spitz.
»Schließlich
ist
Adam
um
sie
herumgeschwänzelt, damit sie bei Walters und Arsdale kündigt und ihm in sein Büro folgt.«
»Mac!«
»Entschuldige«, sagte er rasch. »Ich meine damit nur, dass Adam viel jünger war als sie und außerdem mit einer schönen Frau verheiratet. Und Winifred war nicht auf den Kopf gefallen.
Offenbar hatte sie eine Beziehung mit einem Typen namens Harry Reynolds oder war zumindest in ihn verliebt.«
»Ich frage mich, warum sich dieser Mann nicht meldet«, wunderte sich Nell. »Immerhin ist Winifred einfach vom Erdboden verschwunden. Ihre Mutter sagt, es hätte sie niemand angerufen. Der Einzige war der Hausverwalter, der sich erkundigt hat, ob Mrs. Johnson wieder in die Wohnung einziehen oder sie aufgeben will, was bedeutet, dass er mit einer Untervermietung nicht einverstanden wäre.«
»Ich halte es immer noch für einen Fehler, dass wir in dieser Wohnung waren. Insbesondere deshalb, da Winifred dort offenbar keine Unterlagen aufbewahrt hat«, erwiderte Mac. »Du hättest es zuerst im Büro versuchen sollen.«
»Mac, ich war auf die ausdrückliche Bitte ihrer Mutter hin in der Wohnung.«
Die Fotos lagen, zu einem Päckchen verschnürt, auf Nells Schoß. Cornelius MacDermott warf einen Blick darauf.
»Möchtest du, dass Liz die Sachen ins Pflegeheim schickt?«
Nel zögerte. Vielleicht besuche ich Mrs. Johnson wieder, überlegte sie, aber nicht zu bald. »Gut, Liz soll sie auf den Weg bringen«, entgegnete sie. »Ich rufe Mrs. Johnson an und teile ihr mit, dass alles erledigt ist. Und auch, dass wir in Winifreds Büro weiter nach Unterlagen suchen werden.«
Das Taxi hielt vor ihrem Haus. Sie spürte, wie Mac den Arm um sie legte. »Ich bin immer für dich da«, meinte er und drückte sie liebevoll an sich.
»Das weiß ich, Mac.«
»Wenn du dein Herz ausschütten willst, ruf einfach an. Tag und Nacht. Vergiss nicht, ich habe auch einige geliebte Menschen verloren.«
Ja, das hast du, dachte Nell. Deine Frau, deinen einzigen Sohn und deine Schwiegertochter, und das innerhalb so kurzer Zeit.
Dir muss niemand erzählen, was Trauer ist.
Sie schickte sich an auszusteigen. Carlo hielt ihr schon die Taxitür auf.
»Nell, da wäre noch etwas«, sagte Mac plötzlich.
Er klang so, als wäre ihm das Thema unangenehm, was bei ihm selten vorkam. Nell streckte einen Fuß aus dem Wagen, drehte sich um und sah ihn abwartend an.
»Nell, du und Adam habt euch doch steuerlich nicht gemeinsam veranlagen lassen, oder?«
Sie wollte ihm schon eine gereizte Antwort geben, als sie
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