Vergiss es Baby - Roman
wissen doch, wie schwer es geworden ist, auch nur ansatzweise die Preise zu halten. Ringsherum wird alles teurer. Die Nebenkosten, vor allem der Strom, jetzt auch noch die Lebensmittel«,
er schlug die Hände vors Gesicht. »Auch die Brauereien ziehen nach. Das Bier wird schon wieder teurer. Natürlich werde ich diese Preissteigerung an meine Gäste weitergeben müssen!«
Ihm musste das Wasser bis zum Hals stehen. Letzten Sommer hatte er vom Open-Air-Kino bis hin zum sonntäglichen Familientag so ziemlich alles Erdenkliche probiert, um seine Stammgäste zu halten und neue zu ködern. Ohne durchschlagenden Erfolg. Gerade hatte er die Segnungen des Public Viewing für sich entdeckt. Doch die Investitionen belasteten seine ohnehin angespannte Jahreskalkulation.
Ungerührt fingerte Marlene die Bestelllisten aus ihrer Ledermappe, kreuzte die infrage kommenden Produkte an, notierte die entsprechenden Mengenangaben dahinter und schob sie ihrem Gegenüber zur Unterschrift zu.
Nach einer Reihe weiterer Beschwörungsformeln, die an der Vertriebsbeauftragten so zuverlässig abprallten wie Tennisbälle an einer Betonwand, setzte ihr Geschäftspartner seufzend seinen Namen unter die Bestellung. Nachdem Marlene ihre Sachen zusammengepackt hatte, zog sie erleichtert ab.
Als sie in ihren Dienstwagen stieg, um zum nächsten Termin zu fahren, fühlte sie sich vollkommen ausgelaugt. Das schale Gefühl, die Geschäftsbeziehung zu einem langjährigen Kunden über Gebühr strapaziert zu haben, verursachte ihr Unbehagen.
Am Ende war sie mitschuldig, wenn er noch dieses Jahr pleiteging, nur, weil sie unbedingt die toughe, unbeugsame Verhandlungspartnerin mimen musste, die stets das Maximum für ihre Firma herausholte. Zum Teufel damit! Was wollte sie sich
eigentlich beweisen? Ihr Selbstbewusstsein hatte seit der Pleite mit Sauger, die sie nicht nur den beruflichen Aufstieg, sondern auch ihre Traumkarosse gekostet hatte, stark gelitten. Aber musste sie ihr Versagen und ihre Unzufriedenheit an einem Kunden auslassen? Was brachte es ihr, sich nun erst recht unnachgiebig zu zeigen?
Es musste einen Weg geben, ihren Job zu machen, ohne ständig den Eindruck zu haben, jemanden über den Tisch zu ziehen.
Als sie spätabends nach Hause kam, grübelte sie immer noch. Seltsamerweise war sie allein in der Wohnung. Sie nahm sich vor, diesen ungewohnten Umstand mit einem heißen Bad und einem Glas Wein zu feiern.
Ausgerechnet jetzt fiel ihr Valentin ein. Wo trieb der Kerl sich bloß rum? Sie hatte versucht, alles, was mit ihm zu tun hatte, konsequent aus ihrem Kopf zu verbannen, doch die Gedanken an ihn holten sie immer wieder ein.
In ihrem Zimmer durchforstete sie den CD-Stapel auf dem Teppichboden nach der Kuschelrock-Scheibe. Doch in dem Durcheinander aus leeren Hüllen, herumliegenden Silberscheiben und Autozeitschriften fand sie sie nicht. Wieder einmal überlegte sie, endlich einen CD-Ständer anzuschaffen. Ob sie sich dann dazu aufraffen könnte, ihre Sammlung alphabetisch zu sortieren? Es musste toll sein, die Musik, nach der einem gerade war, garantiert hören zu können.
Sie griff einfach nach der erstbesten Scheibe und schaltete die Anlage ein. Wenig später schallte die Stimme Chris de Burghs durch die Wohnung. Im Badezimmer ließ sie Wasser in
die Wanne und fügte einen gehörigen Schuss Fichtennadelbadeschaum aus der Literflasche hinzu. Die einfachen Dinge waren eben doch die besten. Nicht im Traum wäre sie auf den Gedanken gekommen, wie Florian teure Badeessenzen einer Pflegeserie zu benutzen, die so stark rochen, dass man anschließend stundenlang das Fenster auflassen musste.
Die Suche nach Kerzen, die sie am Badewannenrand und im Handtuchregal platzieren wollte, trieb sie ins Wohnzimmer. Wenn sie sich recht entsann, musste im Bauernschrank noch ein ganzer Karton gelegen haben, der sich nun hoffentlich zuoberst in einer der Kisten fand.
Als sie die Tür öffnete und Licht machte, freute sie sich, dass der von ihr beauftragte polnische Handwerker, der längst mit der Arbeit hätte beginnen sollen, nun endlich losgelegt hatte. Mehrere Farbeimer standen herum, und auch eine an die Wand gelehnte Leiter deutete auf eine hoffentlich bald beginnende Renovierungsaktion hin. Leider war nirgends die versprochene Parkettschleifmaschine zu sehen, die zu mieten sie sich bereit erklärt hatten, aber vielleicht wollte der Herr ja erst einmal streichen? Was auch immer. Für ihren Untermieter waren Renovierungsarbeiten sicher alles
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