Vergiss es Baby - Roman
verwendeten, über Aussehen und Figur zu lamentieren, statt einfach sie selbst zu sein und sich im eigenen Körper wohlzufühlen, so wie er eben war. Ausnahmen wie Marlene, die nicht viel Aufhebens um ihre äußere Erscheinung machte, bestätigten nur die Regel.
Das Bier war angenehm kühl und hinterließ ein Prickeln in der Kehle, als er es in einem Zug wegzischte.
»Ich mach dir einen Vorschlag.« Er sah Rosanna direkt in die Augen. »Du nimmst mich mit in dein Studio, und ich kümmere mich ein bisschen um dich.« Er biss sich auf die Zunge, kaum dass er sein Angebot ausgesprochen hatte. Was, wenn ihn dort jemand erkannte?
»Du meinst, du hast mehr drauf als die Trainer dort?«
»Bestimmt.« Er musste vollkommen verrückt sein.
»Ich hab mir schon gedacht, dass du andere Qualitäten hast.« Ihre Stimme erinnerte ihn an den gleichmäßigen Singsang von Sirenen. Als sie näherkam, streiften ihre Fingerspitzen wie zufällig die Innenseiten seines Oberschenkels. Sie wollte ihm die Flasche abnehmen, doch er hatte noch nicht ausgetrunken.
»Malern«, nahm sie den Faden wieder auf, »gehört jedenfalls nicht dazu.« Ihr kalkuliertes Lachen klang heiser, aber vielleicht hatte sie sich nur verschluckt?
Er grinste verlegen und war erleichtert, als Rosanna verschwand. Überrascht betrachtete er die Flasche in seinen Händen. Sie war leer.
Kurz darauf kehrte Rosanna zurück und hielt ihm ein weiteres gut temperiertes Bier hin, als stünde er lichterloh in Flammen und lechzte nach Abkühlung.
Geschickt lenkte er das Gespräch auf neutrales Terrain. Angeregt unterhielten sie sich über Methoden effektiven Krafttrainings sowie über Regeneration und Ernährung. Um ihre Leistungsbereitschaft gebührend zu unterstreichen, zischten sie das eine oder andere Bier. Nicht die schlechteste Möglichkeit, sein Körpergefühl zu verbessern, wie Valentin erstaunt bemerkte.
Valentin lehnte lässig im Türrahmen, frisch geduscht, umgezogen, ein geschmeidiges »Hallo, Babe, wie war dein Tag?« auf den Lippen. Seit Stunden hatte er nun schon mit dem Essen auf sie gewartet. Das tat er gerne, verschaffte es ihm doch die Chance, ein weiteres Klischee eines erfüllten Ehelebens zu bedienen. Mit einem stilvollen Abendessen bei anregender Konversation über den Tag, den der andere notgedrungen in Abwesenheit des geliebten Partners verbringen musste, konnte man so schnell nichts falsch machen.
Im italienischen Feinkostladen an der Ecke hatte er Antipasti, Käse, Schinken, Oliven und Ciabatta besorgt. Auch an Wein hatte er gedacht, wobei er dem Rat des Inhabers gefolgt war und sich für einen trockenen Barolo entschieden hatte. Seit der Tisch liebevoll gedeckt, der Wein entkorkt und die Kerzen angezündet waren, freute er sich auf Marlene wie ein Kind.
Doch als sie endlich auftauchte, reichte ein Blick in ihre Augen, um die Hoffnung auf einen entspannten Abend zunichtezumachen. Der harte Tag war ihr deutlich anzusehen. Sie gab sich keinerlei Mühe, ihre schlechte Laune zu verbergen, als sie ihre durchweichten Slipper von den Füßen kickte und mit bequemen Hausschuhen vertauschte. Selbst seine Haarpracht, die, wenn schon keine Bewunderung, so doch zumindest Mitleid verdiente, entlockte ihr kein Lächeln. Als sie sich an ihm vorbeischieben wollte, um sich in ihr Zimmer zu verziehen, versperrte er ihr den Weg. Der Flur war zu schmal, um auszuweichen, und die Kartons, die sich an der Wand stapelten, taten ein Übriges. Außerdem verstand er zu mauern. Das klappte auch ohne Ball.
»Lass mich vorbei«, fauchte sie. Er dachte gar nicht daran.
»Ist mir zu gefährlich. Schlechte Laune ist ansteckend, und ich habe nicht vor, mich zu infizieren.«
Sie funkelte ihn an.
»Ich hatte einen Scheißtag. Alles, was ich will, ist eine Dusche und ein wenig Ruhe. Also, bitte sei so nett, und geh mir endlich aus dem Weg.«
Sie hatte nahe am Wasser gebaut, und richtig, es dauerte nicht lange, bis ihr die Tränen in kleinen Bächen über die Wangen liefen. Ein Schluchzen schüttelte ihren Körper, und er legte den Arm um sie. Das erschien ihm angesichts der Situation eine adäquate Geste, und zu seinem Erstaunen schien sie das ebenso zu sehen, denn mit einem Seufzer ließ sie ihren Kopf auf seine Schulter sinken.
Eine Weile blieb er stehen, unfähig sich zu bewegen, und hielt sie einfach nur fest. Er genoss diesen magischen Moment der Nähe, den ersten, den sie teilten - wenn man von ihrer Hochzeitsnacht absah.
Langsam dirigierte er sie in die Küche,
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