Vergiss es Baby - Roman
die Tüte.
»Einen schönen Tag noch, Mario.« Er beugte sich leicht vor und flüsterte: »Es ist ja soooo schade, dass du ausgeschieden bist! ›Deutschland sucht den Superstar‹ ohne dich, das ist einfach nicht dasselbe!«
Kapitel zwölf
Valentin erwachte um zwölf Uhr mittags auf Marlenes Couch und rieb sich die Augen. Fast hätte er seinen Zustand als ausgeruht beschrieben. Doch da war dieser faule Geschmack in seinem Mund. Er passte nicht recht zu der Sonne da draußen, dem frühlingsmilden Duft und dem Verkehrslärm auf der Stra ße. Es hatte Zeiten gegeben, in denen zwölf Uhr der Mittelpunkt eines erfolgreichen Tages gewesen war, der früh begonnen hatte. Die lagen gerade einmal drei Wochen zurück.
Die Waschmaschine rumpelte im Bad vor sich hin, und als er geduscht und sich rasiert hatte, lag ihr Programm in den letzten Zügen. Als sie nach einem dramatischen Finale endlich Ruhe gab, hängte er die Wäsche, samt und sonders Klamotten von Florian, zum Trocknen auf den Balkon. Marlenes gewöhnungsbedürftige Unterwäsche und Schlabber-T-Shirts ordentlich auf den Wäscheständer zu hängen, hätte er mit Sicherheit nicht überlebt.
Dann ging er zurück in Marlenes Zimmer und machte ein wenig Ordnung, was auch dringend nötig war. Während er CDs in Hüllen schob und Bücher zurück ins Regal stellte, dachte er an Marlene. An wen sonst.
Seit einer Woche wappnete er sich und bereitete sich innerlich auf die ganz große Katastrophe vor. Ständig rechnete er mit dem Schlimmsten, und versuchte, nicht daran zu denken,
dass sie ihn jederzeit zur Lachnummer im Profifußball machen konnte. Das passende Kostüm für seine Rolle als Clown hatte sie ihm ja schon besorgt. Das verdammte Hawaiihemd hatte er zuunterst in den Kleiderhaufen gelegt, der den Bodensatz in Marlenes Schrank bildetet, wo es hoffentlich verrottete.
Er wappnete sich, war ständig auf der Hut. Und dann … geschah nichts.
Erst hatte er hin und her überlegt, wie er es anstellen konnte, sie von ihrem Vorhaben abzubringen, aber dann schnell aufgegeben. Sein Widerstand hätte sie erst recht provoziert. Er ahnte, dass Marlene viel zu anständig war, um ihm ernsthaft Schaden zuzufügen, und inzwischen waren seine Ahnungen zur Gewissheit geworden. Also entschied er sich dafür, ihr zu helfen. Er stand tief in ihrer Schuld, sie zu unterstützen, wo immer er konnte, war da nur recht und billig.
Es war Nachmittag, als er mit den Aufräumarbeiten fertig war. In der Küche sah er sich nach etwas Essbaren um. Mit einer Schale Müsli, aufgebackenen Muffins und Kaffee in der Warmhaltekanne kehrte er ins Zimmer zurück, wo er sich erschöpft auf die Couch fallen ließ. Lustlos blätterte er in den Autozeitschriften, die überall herumflogen. Der Fernseher, den er eingeschaltet hatte, flimmerte unbarmherzig vor sich hin. Er hatte den Ton abgestellt und eine von Marlenes Kuschelrock-CDs aufgelegt. Keine gute Entscheidung.
Er sollte besser einkaufen gehen und dann kochen, aber die Mühe, die Treppenstufen herunterzusteigen und den Supermarkt zu betreten, schreckte ihn. Ohnehin war davon auszugehen, dass die WG in der Ysenburgstraße an einem Samstagabend
etwas Besseres zu tun hatte, als sich das kasachische Nationalgericht einzuverleiben.
Er biss in ein Muffin. Es war pappig und schmeckte nach Backtriebmitteln, Sägespänen und Zucker. Seine Laune sank. Nicht mehr lange und sie hätte den Nullpunkt erreicht. Die Frage, wie viele Samstage er nach der Beendigung hausfraulicher Tätigkeiten noch in der Gesellschaft von Fernsehern, Zeitschriften und Gebäck verbringen würde, trug auch nicht dazu bei, dass es ihm besser ging.
Er fühlte sich wie ein Kind, das alleine im Sandkasten saß und mit seinen Förmchen spielte, nur weil es nicht Karussell fahren durfte. Das ausgelassene Lachen der Kleinen, die Runde um Runde drehten, klingelte in seinen Ohren. Hin und wieder erbarmten sie sich und warfen ihm mitleidige Blicke zu.
Warum durfte er nicht mitfahren? Warum saß er am Rand und musste hilflos zusehen? Jetzt wurden die Karten auf dem Transfermarkt neu gemischt, und die Vereine waren auf Einkaufstour. Das Spielerkarussell drehte sich. Die Spielerberater sorgten schon dafür, dass es an Fahrt gewann, während er aus dem Tritt geriet und die Aussicht, zuzusteigen, in immer weitere Ferne rückte.
Er wanderte vom Boden auf die Couch, wo es bequemer war. Er nippte am Kaffee.
Er kaute an seinem zweiten Muffin.
Er nahm noch einen Schluck.
In einer Autozeitschrift
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