Vergiss mein nicht
zurück in die Stadt und zur Dienststelle gebracht hätte.
» Wohin fahren wir?«, fragte sie.
» Zu Dottie Weaver«, sagte er. » Sie hat nämlich den Leichnam noch immer nicht abholen lassen.«
» Das ist doch schon eine Weile her«, sagte Lena und wischte sich verstohlen mit dem Handrücken über die Augen. » Glaubst du, sie hat sich was angetan? Wie Mark?«
» Ich weiß nicht«, antwortete Jeffrey nachdenklich, und sie drängte nicht weiter.
Jeffrey zeigte die Straße hinauf und sagte: » Da oben ist doch die Randolph Street, oder?«
» Ja«, bestätigte Lena, und Jeffrey bog schon in die Randolph Street ein. Die wenigen Auffahrten lagen recht weit auseinander, und die meisten Häuser standen weit von der Straße entfernt auf Grundstücken von jeweils mindestens drei oder vier Morgen. Sie befanden sich jetzt in einem älteren Teil Grants, der entstanden war, bevor man angefangen hatte, billige Häuser dicht an dicht zu bauen. Jeffrey brachte den Wagen vor einem grauen Briefkasten zum Stehen, dessen vordere Klappe offen stand und den Blick auf einen dicht geschichteten Stapel Post freigab.
» Hier ist es«, sagte er. Er setzte den Wagen zurück und lenkte ihn in eine von Bäumen gesäumte Einfahrt. Wenn ihm die vier in Plastik gehüllten Exemplare des Grant Observer am Beginn der Einfahrt auch aufgefallen waren, so erwähnte er das nicht.
Das Haus der Weavers stand noch weiter von der Straße entfernt, als Lena vermutet hatte, und es vergingen einige Sekunden, bis ein kleines Ranch-Gebäude auftauchte. Irgendwann hatte man es aufgestockt, sodass der untere Teil nicht so recht zu dem oberen passen wollte.
» Siehst du irgendwo ein Auto?«, fragte Jeffrey und hielt vor einem offenen Carport.
Lena sah sich um und überlegte, warum er eine Frage gestellt hatte, die sich von selbst beantwortete. » Nein.«
Sie stiegen beide aus, und Lena ging einmal ums Haus herum. Sie sah sich jedes Fenster im ersten Stock an, aber entweder waren die Vorhänge zugezogen oder Jalousien heruntergelassen, denn sie konnte nirgends ins Innere sehen. Eine Doppeltür führte augenscheinlich in den Keller, aber sie war fest verschlossen. Die kleinen Fenster in der Grundmauer waren sämtlich von innen schwarz gestrichen.
Als sie wieder am Ausgangspunkt ankam, hörte sie Jeffrey an die Eingangstür klopfen und » Mrs Weaver?« rufen.
Lena stand am Fuß der Verandatreppe und wischte sich mit dem Arm den Schweiß von der Stirn. » Ich konnte nichts sehen. Alle Vorhänge sind zugezogen.« Sie berichtete ihm von dem Keller und den geschwärzten Fenstern.
Jeffrey sah sich um, und sie merkte, dass er nervös war. Dottie Weaver hatte es schon eine ganze Weile nicht mehr für nötig befunden, ihre Post und die Zeitungen ins Haus zu holen. Sie war geschieden, und gerade erst war ihre Tochter erschossen worden. Vielleicht hatte sie sich gedacht, dass es nichts mehr gab, für das es sich zu leben lohnte.
Jeffrey fragte: » Hast du dir die Fenster auch ganz genau angesehen?«
» Sie sind fest verschlossen«, meinte sie.
» Auch das mit der zerbrochenen Scheibe?«
Lena verstand sofort, worauf er hinauswollte. Als Polizisten brauchten sie einen verdammt plausiblen Grund, wenn sie ohne Durchsuchungsbeschluss in dieses Haus eindringen wollten. Ein ungutes Gefühl allein reichte da nicht. Eine zerbrochene Fensterscheibe hingegen war schon besser.
Sie fragte: » Du meinst das kaputte Kellerfenster?«
Er reagierte mit einem knappen Nicken.
» Und wenn eine Alarmanlage losgeht?«
» Dann rufen wir die Polizei«, sagte er und ging die Treppe hinunter.
Lena hätte ja selbst die Scheibe zerbrochen, aber sie war dankbar, dass Jeffrey sie aus dieser rechtlichen Grauzone heraushielt. Sie lehnte sich ans Geländer der Veranda und wartete auf das Klirren einer zerbrechenden Fensterscheibe. Eine Minute später war es dann so weit. Dann verstrichen ein paar Minuten, ohne dass Jeffrey auftauchte. Sie wollte bereits hinters Haus gehen, als sie drinnen seine Schritte hörte.
Dann stand er in der Tür, eine Hand auf dem Knauf und in der anderen einen grellgelben Regenmantel.
» Laceys?«, fragte Lena und nahm den Mantel. Er war klein genug, um einem Kind zu passen, und das Namensschild, das jemand innen am Kragen eingenäht hatte, beseitigte sämtliche Zweifel.
» Mein Gott«, flüsterte Lena und blickte zu Jeffrey auf. Er schüttelte den Kopf, was bedeutete, dass er sie im Haus nicht gefunden hatte.
Er machte einen Schritt zur Seite, damit sie
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