Vergiss mein nicht
Sache mit Mark zu knabbern. Erst nach einiger Zeit würde sich herausstellen, ob er durchkam. Die Sauerstoffzufuhr zu seinem Gehirn war recht lange unterbrochen gewesen, und solange er nicht aus dem Koma erwachte, wusste man nicht, wie sehr er geschädigt war.
Lena sah zu Jeffrey hinüber, als er Sara erzählte, was Mark über seine Beziehung zu Grace Patterson gesagt hatte. Was Sara darauf erwiderte, war wohl kurz und bündig, denn Jeffrey stimmte ihr umgehend zu.
» Ich sehe dich dann heute Abend«, sagte Jeffrey und legte auf. Dann fuhr er Lena an: » Ich habe dir doch gesagt, dass du auf keinen Fall mit Mark allein sprechen sollst.«
» Ich weiß«, entgegnete Lena und holte Luft, um ihm nochmals zu erzählen, warum sie Brad fortgeschickt hatte. Aber er ließ es nicht dazu kommen, sondern stoppte sie mit erhobener Hand.
» Ich sage das nur ein einziges Mal, Lena.« Er machte den Eindruck, als hätte es ihm schon eine Weile auf der Seele gelegen: » Du bist hier nicht der Boss.«
» Das weiß ich.«
» Unterbrich mich nicht.« Er warf ihr einen kurzen Seitenblick zu. » Ich mache diesen verdammten Job verdammt länger als du, und wenn ich dir auftrage, bestimmte Dinge auf eine bestimmte Weise zu tun, dann deswegen, weil ich weiß, was ich tue.«
Sie wollte schon zustimmen, besann sich dann aber eines Besseren.
» Als Detective kannst du zwar selbstständig entscheiden und handeln, aber ich gebe die Befehle.« Er sah sie an, als würde er bereits mit Widerspruch rechnen. » Wenn ich nicht darauf vertrauen kann, dass du ganz einfache Befehle befolgst, wie kann ich dich dann noch weiter für mich arbeiten lassen?«
Offenbar war sie jetzt an der Reihe, etwas zu erwidern, aber ihr fiel beim besten Willen nichts ein.
» Bitte, denk darüber nach, Lena. Ich weiß, dass du deinen Job liebst, und ich weiß auch, dass du gut bist, wenn du willst, aber nach dem, was passiert ist…« Er schüttelte den Kopf, als müsse er sich korrigieren. » Nein, schon vor dem, was jetzt passiert ist. Du hast ein Problem damit, Befehle zu befolgen, und dadurch wirst du für mich gefährlicher als die Kriminellen.«
Diese Worte trafen Lena tief, und sofort verteidigte sie sich: » Mark hätte sich mir niemals anvertraut, wenn Brad dabei gewesen wäre.«
» Vielleicht hätte er aber auch nicht versucht, sich das Leben zu nehmen«, sagte Jeffrey. Er schwieg für einen Moment und konzentrierte sich aufs Fahren. Er seufzte und sagte: » Okay, das war nicht fair.«
Lena schwieg.
» Mark hätte wahrscheinlich eine andere Gelegenheit genutzt, um sich etwas anzutun. Er ist ein wirklich gestörter Junge. Es war nicht deine Schuld.«
Sie nickte nur, aber sie wusste nicht, ob das, was er sagte, stimmte oder nicht. Zumindest versuchte er, ihr Trost zu spenden, und das war verdammt viel mehr, als sie nach dem Tod von Jenny Weaver im Gespräch mit ihm getan hatte.
» Aber es geht nicht nur um Mark. Hast du endlich einen Therapietermin gemacht?«
Sie schüttelte den Kopf.
Jeffrey sagte: » Lena, ich sage das wirklich nicht gern, aber wahrscheinlich ist dieser Augenblick genauso schlecht wie jeder andere.« Er hielt inne und schien mit Bedacht die richtigen Worte zu wählen. » Du musst dir überlegen, ob du noch Cop sein willst oder nicht.«
Sie nickte und biss sich auf die Zungenspitze, um nicht loszuheulen. Wie könnte sie es ertragen, kein Cop mehr zu sein? Wenn sie kein Detective mehr war, was war sie dann noch? Bestimmt keine Schwester mehr, kaum eine Frau. An manchen Tagen wusste Lena nicht einmal, ob sie ein Mensch war.
» Du bist ein guter Cop«, sagte er.
Sie nickte wieder, stützte den Kopf in die Hand und starrte zum Seitenfenster hinaus, damit er ihr Gesicht nicht sehen konnte. Das verzweifelte Bemühen, nur nicht in Tränen auszubrechen, schnürte ihr die Kehle zu. Sie hasste sich für ihre Schwäche, aber allein der Gedanke, vor Jeffrey die Fassung zu verlieren, bewahrte sie davor, hemmungslos zu schluchzen wie ein kleines Mädchen.
» Wir reden weiter, wenn wir diesen Fall hinter uns haben«, schlug Jeffrey vor. » Ich möchte dir ja helfen, Lena, aber ich kann dir nicht helfen, wenn du dir nicht helfen lässt.«
Das klang wie Hanks A A-Bockmist, und davon hatte Lena mehr als genug. Sie räusperte sich und sagte: » Okay.« Dabei starrte sie weiter aus dem Fenster.
Jeffrey blieb während der weiteren Fahrt stumm, und sie sagte auch erst wieder etwas, als sie bemerkte, dass sie die Ausfahrt verpasst hatten, die sie
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