Vergiss mein nicht
dachte, war völlig unwichtig. Es kam nur darauf an, dass Lena ihren Job machte. Und sie hatte ihren Job gemacht. Sie hatten aus der Vernehmung ein paar handfeste Anhaltspunkte gewonnen, die sie jetzt verfolgen mussten– und auf die wären sie nicht gestoßen, wenn Sara Linton zu bestimmen gehabt hätte.
Lena sah auf ihre Armbanduhr und bekam einen Schreck. Sie hatte nicht darauf geachtet, wie spät es geworden war. Hank würde sich bereits fragen, was sie aufgehalten hatte. Es war nicht zu schaffen, mit ihm in die Kirche zu gehen.
In der Konsole von Jeffreys Wagen lag ein Mobiltelefon. Lena beugte sich hinüber, um den Motor zu starten, damit sie das Telefon benutzen konnte. Sie schaltete die Klimaanlage ein und öffnete das Fenster einen Spalt breit, um ein wenig von der Hitze hinauszulassen. Das Telefon brauchte seine Zeit zum Aufladen, und sie warf einen Blick zum Polizeigebäude, um sich zu vergewissern, dass Jeffrey noch nicht herauskam.
Hank meldete sich schon nach dem ersten Läuten. » Hallo?«
» Ich bin’s«, sagte sie. Er sagte nichts, und ihr wurde klar, wie sich ihre Stimme anhören musste. Angegriffen und durch die Konfrontation mit Sara dennoch harsch. Dankenswerterweise fragte Hank sie nicht, was los war.
Sie sagte: » Ich werd’s nicht schaffen, mit in die Kirche zu kommen.«
» Oh?«, sagte er, bohrte aber nicht weiter.
» Ich muss mit Jeffrey zu einem Verhör«, informierte sie ihn, obwohl sie Hank eigentlich gar nichts erklären wollte. » Das dauert sicher lange. Geh einfach ohne mich.« Am Ende des Satzes sank Lenas Stimme, denn sie musste daran denken, dass sie allein sein würde, wenn sie nach Hause kam.
» Lee?«, fragte Hank, der offenbar ihre Angst spürte. » Ich kann aber hierbleiben und auf dich warten, wenn du möchtest. Du weißt schon, nur bis du nach Hause kommst.«
» Sei nicht albern«, sagte sie und wusste dabei genau, dass ihr Ton nicht sehr überzeugend war. » Ich bin doch kein Kleinkind.«
» Du könntest nachkommen«, sagte Hank zögernd. » Ich meine, um noch den Chor singen zu hören.«
Lena sank der Mut, als ihr wieder einfiel, dass es ja ein Chorkonzert gab. Bis Hank nach Hause kam, würde es schon dunkel sein. Drinnen im Haus würde es sogar noch dunkler sein, egal wie viele Lampen sie anschaltete.
» Ich muss früh aufstehen, weil ich mich morgen um die Bar kümmern will«, sagte Hank. » Vielleicht wäre es besser, wenn ich gleich nach dem Gottesdienst nach Hause komme.«
» Hank«, sagte Lena, verzweifelt bemüht, sich nicht anmerken zu lassen, dass ihr Herz zu zerspringen drohte. » Hör zu, geh zu diesem Scheißkonzert, okay? Du brauchst nicht ständig meinen Babysitter zu spielen, verdammt nochmal!«
Die Sonnenstrahlen wurden von der Hintertür reflektiert, als Jeffrey aus dem Gebäude trat. Marla Simms folgte ihm auf dem Fuß, um ihrem Chief eine Akte zu übergeben.
Hank fragte: » Ist das dein Ernst?«
» Ja«, sagte sie, bevor sie darüber nachdenken konnte. » Hör mal, ich muss jetzt Schluss machen. Wir sehen uns, wenn du nach Hause kommst.«
Sie schaltete das Telefon aus, bevor Hank etwas erwidern konnte.
» Meine Güte«, sagte Jeffrey, als er die Autotür öffnete. » Klimaanlage an?«, fragte er und warf ihr den Schnellhefter zu, den Marla ihm ausgehändigt hatte.
» Ja«, murmelte Lena. Ohne es bewusst wahrzunehmen, war sie auf dem Fahrersitz von ihm abgerückt, und zwar so weit an die Tür wie nur möglich. Falls Jeffrey das aufgefallen war– einen Kommentar dazu gab er nicht ab.
Er warf sein Jackett auf den Rücksitz. » Ich habe einen Anruf bekommen«, sagte er, offensichtlich mit den Gedanken ganz woanders. » Meine Mutter hatte einen Unfall. Ich muss heute noch nach Alabama.«
» Jetzt?«, fragte Lena und legte die Hand auf den Türgriff. Sie überlegte schon, Hank von ihrem Auto aus anzurufen und ihn zu bitten, auf sie zu warten.
» Nein«, antwortete Jeffrey und betrachtete ostentativ ihre Hand. » Heute Abend.«
» Gut«, sagte sie und ließ die Finger auf dem Griff ruhen.
» So ein verdammter Mist, mittendrin wegzumüssen. Vielleicht bringt ja Mark Patterson Licht in die Sache.«
» Wie meinst du das? Dass es nur eine kleine Meinungsverschiedenheit zwischen Verliebten war?«, fragte Lena.
» Vielleicht kann er uns ja sagen, wer die anderen Mädchen waren. Oder wer von ihnen die Mutter ist.«
Sie nickte, hielt das aber für unwahrscheinlich.
» Ich habe mit Brad gesprochen. Fine war bei den Skiferien nicht dabei.«
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