Vergiss mein nicht
dir?«
Sie gab sich Mühe, nicht zu unbekümmert zu klingen. » Mir geht’s bestens.«
» Diese Sache mit Sara…«
» Mir geht’s bestens«, versicherte sie ihm in einem Tonfall, der Hank sofort zum Schweigen gebracht hätte.
Aber Jeffrey war nicht Hank. Er blieb beharrlich: » Ganz bestimmt?«
» Ja doch.« Und zum Beweis fragte sie: » Was war das denn vorhin bei der Vernehmung? Dr. Linton klang überrascht, als Dottie Lacey Patterson erwähnte.«
» Sie war Patientin in Saras Klinik«, erklärte Jeffrey. Dann sagte er leise: » Du weißt, wie Sara zu ihren Kindern steht.«
Das wusste Lena nicht, und sie blickte in die Akte, ohne ihm zu antworten. Mark Pattersons Name stand auf dem Deckel, und sie wollte nachsehen, was er angestellt hatte. Auf dem obersten Blatt standen seine Personalien einschließlich seiner Adresse. » Die wohnen in Morningside?«, fragte sie, denn das war ein eher verrufener Teil von Madison.
» Ich glaube, das ist in diesem Wohnwagenpark. Der mit der grünen Markise über dem Schild?«
» Kudzu Arms«, half ihm Lena. Sie und Brad waren in den letzten paar Monaten diverse Male nach Kudzu Arms gerufen worden. Je höher die Temperaturen, desto niedriger die Hemmschwellen.
» Also schön«, sagte Jeffrey, der vorankommen wollte. » Was steht denn so über ihn drin?«
Lena blätterte die Akte durch. » Zwei Einbrüche, als er zehn war, beide in Kudzu Arms. Letztens hat er seine Schwester ziemlich schlimm zusammengeschlagen. Sein Vater hat uns gerufen, aber als wir ankamen, wollten sie keine Anzeige erstatten.« Sie hörte zu lesen auf und erläuterte: »› Wir‹ sind Deacon und Percy. Die beiden haben den Einsatz gemacht, nicht ich und Brad.«
Jeffrey kratzte sich am Kinn und schien zu überlegen. » Ich weiß nicht mal mehr, wann das passiert ist.«
» Kurz nach Thanksgiving«, klärte Lena ihn auf. » Und um die Weihnachtszeit wurden Deacon und Percy nochmals gerufen. Wieder rief der Vater an und wünschte ausdrücklich, dass die beiden kämen.« Sie überflog den Bericht, den Deacon geschrieben hatte. » Diesmal wurde Anzeige erstattet, und sie haben ihn ein paar Tage eingesperrt. Mark sollte dann statt Haft ein paar Therapiesitzungen mitmachen, um seine Wutanfälle unter Kontrolle zu bekommen.« Sie lachte verächtlich. » Buddy Conford war sein Anwalt.«
» Buddy ist gar nicht so schlecht«, meinte Jeffrey.
Lena schloss die Akte und sah ihn ungläubig an. » Er ist eine Hure. Er sorgt dafür, dass Rauschgiftsüchtige und Mörder wieder frei herumlaufen.«
» Er macht nur seinen Job, genau wie wir.«
» Er macht uns das Leben unnötig schwer.« Lena blieb hartnäckig.
Jeffrey schüttelte den Kopf. » Er wird wegen der Weaver-Sache mit dir reden wollen«, sagte er zu ihr. » Weil ich geschossen habe.«
Lena stieß einen herablassenden Lacher aus. » Arbeitet er für Dottie Weaver?«
» Für die Stadt«, stellte er klar. » Ich schätze, damit erweist er dem Bürgermeister einen Gefallen.« Jeffrey zuckte die Achseln. » Aber egal, unterhalte dich mit ihm. Sag ihm, wie es passiert ist.«
» Du musstest schießen«, erklärte Lena, denn wenn sie überhaupt noch an etwas glaubte, dann daran, dass Jeffrey gar nicht anders handeln konnte. Sie sagte: » Brad wird auch nichts anderes aussagen.«
Jeffrey war verstummt und schien das Thema beenden zu wollen, aber einige Minuten später fuhr er an den Straßenrand. Lena überkam ein Déjà-vu-Gefühl, und ihr drehte sich der Magen um, als sie an ihren peinlichen Auftritt am Morgen bei Hank im Auto dachte. Doch mit Jeffrey würde sie nicht dasselbe Problem haben. Sie konnte in Jeffreys Gegenwart stärker sein, weil er sie nicht so sah wie Hank. Der sah in Lena immer noch die trotzige Halbstarke, weil er nicht viel mehr von ihr kannte.
Lena wartete, bis Jeffrey die Automatik auf Parken gestellt hatte und sich ihr zuwandte. Sie spürte, wie sich ihr die Nackenhaare sträubten, und dachte, jetzt käme eine Strafpredigt oder so.
» Nur ganz unter uns…«, sagte Jeffrey und hielt inne. Er wartete, bis sie ihm in die Augen sah, und wiederholte: » Nur unter uns.«
» Klar.« Sie nickte, aber sein ernster Tonfall behagte ihr gar nicht. Ihr wurde extrem flau im Magen. Er wollte bestimmt den Eklat mit Sara ansprechen.
Zu ihrer Überraschung sagte er jedoch: » Der Schuss.«
Mit einem Nicken ermunterte sie ihn fortzufahren.
» Auf Weaver«, sagte er, als müsse er es eingrenzen. Sie bemerkte, wie angespannt er war. Zum ersten Mal
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