Vergiss mein nicht
und ihre Stimme blieb fest, als sie sagte: » Ich hab nur meinen Job gemacht.«
» Ihren Job?«, fauchte Sara und rückte immer näher. Sie war gut fünfzehn Zentimeter größer als Lena und nutzte das aus. » Ist es Ihr Job, eine Frau zu quälen, die gerade ihr Kind verloren hat? Ist es Ihr Job, der Frau diese Bilder zu zeigen?« Bei den letzten Worten brach Saras Stimme. » Wie konnten Sie ihr das antun, Lena? Wie können Sie es verantworten, dass diese Bilder die letzte Erinnerung sein werden, die sie an ihre Tochter hat?«
Jeffrey wollte eingreifen, aber da hatte sich Sara schon vorgebeugt und flüsterte Lena etwas ins Ohr. Er hörte nicht, was sie gesagt hatte, aber Lena reagierte unmittelbar: Sie sackte in sich zusammen.
Auch Sara bemerkte das, und er registrierte das Schuldbewusstsein auf ihrem Gesicht. Sie hielt sich die Hand vor den Mund, als könnte sie die Worte ungesagt machen. » Entschuldigen Sie bitte«, sagte sie zu Lena. » Das tut mir sehr leid.«
Lena räusperte sich, blickte aber weiterhin zu Boden. » Ist schon gut«, sagte sie, obwohl sie es offensichtlich nicht meinte.
Sara fiel erst jetzt auf, wie sehr sie Lena auf die Pelle gerückt war, denn sie trat einen Schritt zurück. » Lena, entschuldigen Sie bitte«, wiederholte sie. » Ich hatte kein Recht, das zu sagen.«
Lena hob die Hand, atmete tief ein und sagte zu Jeffrey: » Wenn du dann fahren willst– ich warte im Wagen.«
» Ja, gut.«
Er kramte nach seinen Schlüsseln und wollte sie ihr reichen, aber sie nahm sie nicht. Stattdessen streckte sie die offene Hand aus und wartete darauf, dass er sie hineinfallen ließ.
Ohne Jeffrey oder Sara noch einmal anzusehen, ging sie den Flur hinunter. Sie wirkte noch immer wie ein getretener Hund. Was immer Sara zu ihr gesagt hatte, es hatte sie direkt ins Mark getroffen.
Jeffrey wandte sich an Sara: » Scheiße, was hast du denn gerade zu ihr gesagt?«
Sara schüttelte den Kopf und schlug die Hände vors Gesicht. » O Jeff«, sagte sie noch immer kopfschüttelnd. » Das Falsche. Das absolut Falsche.«
Sieben
L ena saß in Jeffreys Lincoln Town Car. Jeder Muskel ihres Körpers war verkrampft. Sie atmete fast hechelnd, und ihr war auch etwas schwindlig, wie kurz vor einer Ohnmacht. Sie schwitzte, und das nicht nur, weil es im Auto so heiß war. Sie hatte das Gefühl, unter Strom zu stehen.
» Miststück«, flüsterte sie wütend. » Dämliches Miststück«, wiederholte sie, als könne sie mit dieser Beschimpfung auslöschen, was gesagt worden war.
Saras Worte hallten noch immer in ihren Ohren wider: Jetzt weißt du, wie es ist, wenn man jemanden quält.
Quält, hatte Sara gesagt, aber Lena wusste, was sie gemeint hatte. Jetzt weißt du, wie es ist, wenn man jemanden vergewaltigt.
» Gottverflucht nochmal!«, schrie Lena, so laut sie konnte, um zu übertönen, was sie hörte. Sie schlug gegen das Armaturenbrett, verfluchte Sara Linton, verfluchte diesen Scheißjob.
Im Vernehmungsraum, als sie Dottie Weaver in die Mangel genommen hatte, war sich Lena zum ersten Mal seit ewigen Zeiten wieder wie ein Mensch vorgekommen, und dann hatte Sara Linton das alles mit einem einzigen Satz zunichtegemacht.
» Verdammt!«, schrie Lena wieder. Ihre Stimme wurde langsam heiser. Sie hätte am liebsten geweint, aber es kamen keine Tränen, und sie kochte vor Wut. Sie war so angespannt, dass sie glaubte, das Auto in die Luft stemmen und auf die Seite schleudern zu können, wenn sie es gewollt hätte.
» Schluss jetzt, Schluss jetzt, Schluss jetzt«, sagte Lena zu sich selbst und versuchte sich zu beruhigen. Sie musste es überstanden haben, wenn Jeffrey ins Auto stieg, denn er würde es Sara weitererzählen– schließlich bumste er sie doch, verdammt–, und Lena wollte auf keinen Fall, dass Sara erfuhr, wie tief ihre Worte sie getroffen hatten.
Lena schnaubte nur verächtlich bei dem Gedanken an Saras lahme Entschuldigung. Sara hatte genau das gesagt, was sie dachte. Und sie hatte sich einzig und allein deswegen entschuldigt, weil sie es ausgesprochen hatte. Sie war nicht nur ein Miststück, sondern obendrein auch noch feige.
Sie atmete noch einmal tief durch, wollte sich zusammenreißen. » Alles ist gut«, flüsterte sie. » Es macht nichts. Nichts macht etwas.«
Nach ein paar Minuten ging es Lena besser. Ihr Herz klopfte nicht mehr so wild, und ihr Magen schien sich zu entkrampfen. Sie sagte sich immer wieder, dass sie stark sei, dass sie schon Schlimmeres überlebt hatte. Was Sara Linton
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