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Vergiss mein nicht

Vergiss mein nicht

Titel: Vergiss mein nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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schlafen gehe, nehm ich ihr die Hausschlüssel weg«, sagte er augenzwinkernd. » Möchtest du ’n Bier?«
    Jeffrey sah auf die Uhr an der Wand. » Gewöhnlich trinke ich nicht vor Mittag.«
    » Oh, richtig, richtig, richtig«, antwortete er. » Wie wär’s mit ’ner Cola?« Er angelte zwei aus der Kühltruhe, ohne die Antwort abzuwarten.
    » Heiß draußen«, sagte Jeffrey.
    » Du sagst es«, stimmte Possum zu und öffnete die Flaschen am Rand der Truhe. » Bist Du vorbeigekommen, um mich zu bitten, ein Auge auf deine Mama zu haben?«
    » Ich habe zu Hause gerade einen dringenden Fall«, sagte er und war froh, mit zu Hause jetzt Grant zu meinen. » Wenn es dir nichts ausmacht.«
    » Quatsch«, winkte Possum ab. Er reichte Jeffrey eine Coke. » Mach dir keine Sorgen. Sie wohnt doch ganz in der Nähe.«
    » Danke«, sagte Jeffrey. Er sah zu, wie Possum eine Packung Erdnüsse vom Regal nahm und sie mit den Zähnen aufriss. Er bot Jeffrey welche an, aber der lehnte dankend ab.
    » Schlimm, dass sie gestürzt ist«, sagte Possum. Er ließ einige Erdnüsse in den offenen Flaschenhals seiner Coke rutschen. » War in letzter Zeit auch echt heiß. Da ist ihr wohl vor Hitze einfach schwindlig geworden.«
    Jeffrey nahm einen Schluck Coke. Possum tat, was er schon immer getan hatte: Er nahm May Tolliver in Schutz. Jerry Long hatte seinen Spitznamen nämlich nicht nur deswegen bekommen, weil er sich an jenem Tag auf Jeffreys Hof tot gestellt hatte. Wenn sich Possum auf eins gut verstand, dann darauf, das zu ignorieren, was sich direkt vor seiner Nase befand.
    Die dumpfen Bässe eines Rapsongs ließen die Schaufensterscheiben vorne vibrieren, und als Jeffrey sich umdrehte, sah er einen großen burgunderfarbenen Pick-up vor dem Laden vorfahren. Rapmusik lärmte, eine Kakophonie aus synkopierten Beats, bevor der Motor abgestellt wurde und ein mürrisch aussehender Teenager ausstieg und in den Laden kam.
    Er trug ein T-Shirt in derselben Farbe wie sein Truck mit der Aufschrift Roll Tide über einem wütenden Elefanten. Seine Frisur war es, die sofort Jeffreys Aufmerksamkeit erregte. Sie bestand aus über der Kopfhaut geflochtenen Zöpfen, so genannten Corn Rows, mit kleinen dunkelroten Glasperlen an den Enden, die beim Gehen aneinanderschlugen. Dazu trug der Junge schwarz-graue Hosen, die den Tarnanzügen des Militärs nachempfunden und an den Knien abgeschnitten waren. Seine Socken und Turnschuhe waren wieder purpurrot. Jeffrey wurde schlagartig bewusst, dass der Bengel von Kopf bis Fuß in den Farben der Alabama University gekleidet war.
    » He, Dad«, sagte er und meinte damit Possum.
    Jeffrey tauschte einen Blick mit seinem Freund und wandte sich wieder dem Jungen zu. » Jared?«, fragte er, überzeugt, dass dies nicht Possums und Nells süßer kleiner Sohn sein konnte. Er sah nämlich aus wie ein krimineller Biker, der sich in die Kluft einer Alabama-Gang geworfen hatte.
    » He, Onkel Slick«, grummelte er vor sich hin und schlurfte über den Boden. Er ging schnurstracks an Jeffrey und seinem Vater vorbei in den Raum hinter dem Verkaufstresen.
    » Mann«, sagte Jeffrey, » das muss dir aber peinlich sein.«
    Possum nickte. » Wir hoffen, dass er seine Meinung noch ändert«, sagte er achselzuckend. » Er mag Tiere. Und jeder weiß, dass Auburn für Tiermedizin besser ist als Alabama.«
    Jeffrey biss die Zähne zusammen, um nicht zu lachen.
    » Bin gleich wieder da«, sagte Possum und folgte dem Jungen. » Bedien dich.«
    Jeffrey leerte die Cola in einem Zug und ging weiter in den Laden hinein, um zu sehen, welche Köder Possum führte. In Maschendrahtkäfigen veranstalteten Grillen ein Wahnsinnskonzert, in einer großen Plastiktonne mit nasser Erde tummelten sich wahrscheinlich tausende Würmer. Ein kleines Becken mit Elritzen stand über den Grillenkäfigen, zusammen mit einem Kescher und einigen Eimern, um die Köderfische zu transportieren. Sara angelte gerne, und Jeffrey erwog kurz, ihr ein paar Würmer mitzubringen, bevor ihm einfiel, dass es doch reichlich kompliziert sein würde, lebendige Köder im Auto nach Hause zu transportieren. Er würde wahrscheinlich hinter Atlanta eine Rast machen, um etwas zu essen, und dann konnte er die armen Würmer nicht in der Hitze seines Wagens braten lassen. Und außerdem gab es in Grant überall Verkaufsstände mit Ködern.
    Er ließ die leere Cokeflasche in einen Behälter fallen, der so aussah, als würde er zum Recyceln benutzt, und sah aus dem Fenster hinüber zur

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