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Vergiss mein nicht

Vergiss mein nicht

Titel: Vergiss mein nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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Kindertagesstätte neben dem Shop. Offenbar war gerade Pause, denn die Kinder rannten umher und schrien sich die Seele aus dem Leib. Jeffrey überlegte, ob Jenny Weaver sich wohl jemals so unbefangen gefühlt hatte. Er konnte sich gar nicht vorstellen, dass sie bei ihrem Übergewicht je richtig gerannt war. Sie war wohl eher eines jener Mädchen gewesen, die im Schatten sitzen, in einem Buch lesen und nur darauf warten, dass es läutet und sie wieder in den Unterricht gehen können, wo sie sich weitaus wohler fühlen.
    » Arbeiten Sie hier?«, fragte jemand.
    Verdutzt drehte Jeffry sich um. Ein Mann, der aussah, als sei er um die dreißig, stand hinter ihm bei den Ködern. Jeffreys Empfinden nach war er ein typischer Redneck: dünn, weichlich wirkend und voller kleiner Schnitte im Gesicht, weil er beim Rasieren zu scharf rangegangen war. Seine Arme sahen kräftig aus und waren wahrscheinlich von der Arbeit auf dem Bau so muskulös. Eine Zigarette hing zwischen seinen Lippen.
    » Nein«, sagte Jeffrey, dem es ein wenig peinlich war, dabei überrascht worden zu sein, wie er gedankenverloren aus dem Fenster schaute. » Ich hab nur den Kids zugesehen.«
    » Ja«, sagte der Mann und ging einen Schritt auf Jeffrey zu. » Um diese Zeit sind sie gewöhnlich draußen.«
    » Ist eines davon Ihres?«, fragte Jeffrey.
    Der Mann schaute ihn abschätzend an. Er rieb sich nachdenklich das Kinn. Verblüfft bemerkte Jeffrey die Tätowierung auf der Haut zwischen Daumen und Zeigefinger des Mannes. Es war die gleiche, die auch Mark Patterson auf seiner Hand hatte.
    Jeffrey wandte sich ab und dachte über diesen Zufall nach. Er blickte starr aus dem Fenster, konnte dabei aber das Spiegelbild des Mannes in der Scheibe sehen.
    » Hübsche Tätowierung«, sagte Jeffrey.
    Die Stimme des Mannes klang gedämpft, war fast schon wie ein verschwörerisches Flüstern. » Haben Sie auch eine?«
    Jeffrey hielt die Lippen fest geschlossen und schüttelte nur den Kopf.
    » Und warum nicht?«, fragte der Mann.
    Jeffrey murmelte was von » Job« und versuchte, gleichmütig zu klingen. Er hatte ein komisches Gefühl bei dieser Sache, als würde sein Verstand etwas ausbrüten, es aber noch vor ihm geheim halten.
    » Nicht viele Leute wissen, was sie bedeutet«, sagte der Mann und ballte seine Hand zur Faust. Er betrachtete die Tätowierung, ein feines Lächeln auf den Lippen.
    » Ich habe sie bei einem Jungen gesehen«, sagte Jeffrey zu ihm. » Nicht bei so einem wie denen«, deutete er mit dem Kopf auf die Kindertagesstätte. » Älter.«
    Das Lächeln des Mannes wurde breiter. » Sie mögen sie älter?«
    Jeffrey blickte dem Mann über die Schulter, um nach Possum Ausschau zu halten.
    » Der kommt so schnell nicht wieder«, versicherte ihm der Mann. » Es vergeht kein Tag, ohne dass sein Junge irgendwelchen Ärger macht.«
    » Ach, wirklich?«
    » Ja«, sagte der Mann.
    Jeffrey wandte sich wieder dem Fenster zu und sah die Kinder, die auf dem Pausenhof tollten, in einem anderen Licht. Sie wirkten auf ihn nicht mehr länger jung und sorglos. Sie erschienen ihm eher verletzlich und gefährdet.
    Der Mann trat einen Schritt vor und wies mit seiner tätowierten Hand zum Fenster hinaus. » Sehen Sie die Kleine da?«, fragte er. » Die mit dem Buch?«
    Jeffrey blickte in die angegebene Richtung und entdeckte ein kleines Mädchen, das unter dem Baum mitten auf dem Hof saß. Sie las ein Buch, fast so, wie Jeffrey sich Jenny Weaver vorgestellt hatte.
    Der Mann sagte: » Das ist meine.«
    Jeffrey sträubten sich die Nackenhaare. Der Tonfall des Mannes machte deutlich, dass das Mädchen nicht seine Tochter war. Es lag etwas Besitzergreifendes und etwas unmissverständlich Sexuelles darin.
    Der Mann sagte: » Aus der Entfernung kann man es nicht erkennen, aber von nahem sieht man, dass sie den allerliebsten kleinen Mund hat.«
    Jeffrey drehte sich langsam um. Er gab sich größte Mühe, seinen Ekel zu verbergen. Er sagte: » Warum gehen wir nicht woanders hin, wo wir uns unterhalten können?«
    Die Augen des Mannes verengten sich. » Was passt Ihnen hier nicht?«
    » Hier werd ich nervös«, sagte Jeffrey. Er musste sich zu einem Lächeln zwingen.
    Der Mann sah ihn lange durchdringend an und nickte dann fast unmerklich. » Ja, gut«, sagte er und ging in Richtung Tür. Immer wieder sah er über die Schulter, um sich zu überzeugen, ob Jeffrey noch da war.
    Hinter dem Gebäude wollte der Mann sich umdrehen, aber Jeffrey trat ihm in die Kniekehlen, sodass er zu Boden

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