Vergiss mein nicht
sagte er. » Manchmal wechselt sie die Webadresse. Man muss sie immer wieder neu suchen.«
Jeffrey machte sich Notizen, obwohl er durch das Seminar mit der Vorgehensweise vertraut war.
Der Mann zog noch einmal an seiner Zigarette und behielt den Rauch einen Moment in der Lunge. Schließlich ließ er ihn entweichen und fragte: » Wär das alles?«
» Das kleine Mädchen da draußen«, sagte Jeffrey mühsam beherrscht. » Wenn du ihr je etwas antun solltest…«
Der Mann sagte: » Ich hab nie was mit einer gemacht. Ich schau sie nur gerne an.« Er trat nach einem Stein. » Verstehen Sie, die sind doch so süß. Ich meine, wie könnte ich einem so süßen Wesen etwas antun?«
Ohne zu überlegen, ließ Jeffrey dem Mann die Faust ins Gesicht krachen. Ein Zahn flog ihm aus dem Mund, gefolgt von einem Blutstrom. Der Mann sackte wieder zu Boden und wartete darauf, verprügelt zu werden.
Jeffrey ging zurück in den Laden. Ihm war speiübel.
Neun
D ie Robert E. Lee Highschool hieß bei den Einheimischen die » Superschule«. Das Gebäude war für ungefähr fünfzehnhundert Schüler aus den drei Städten des Grant County konzipiert worden. Doch die Schule war mittlerweile nicht mehr groß genug, und provisorische Klassenzimmer– die andere schlicht » Trailer« nennen würden– waren hinter dem Schulgebäude eingerichtet worden und nahmen inzwischen das halbe Baseballfeld in Beschlag. Die Klassen von neun bis zwölf wurden in Lee High unterrichtet, und zwei Mittelschulen lieferten die Schüler. Es gab vier stellvertretende Direktoren und einen Direktor, der George Clay hieß und die meiste Zeit damit verbrachte, hinter seinem Schreibtisch zu sitzen und die Papierberge zu bewältigen, die das innovative Bildungsprogramm des Gouverneurs verursachte– das dafür sorgte, dass die Lehrer mehr Zeit damit verbrachten, Formulare auszufüllen und Fortbildungsprogramme zu absolvieren, als den Kindern etwas beizubringen.
Brad hielt seine Mütze in der Hand, als sie den Flur entlanggingen, und in den von der Polizei gestellten Turnschuhen stapfte er neben Lena her. Unwillkürlich hatte sie angefangen, seine Schritte zu zählen, als sie durch den von Schließfächern gesäumten Korridor wanderten. Es handelte sich um ein typisches öffentliches Gebäude ohne klare architektonische Gestaltung. Der Boden war weiß gefliest, und die Wände bestanden aus unauffälligen Betonblöcken. Damit sie zu den Schulfarben passten, waren die Schließfächer dunkelrot gestrichen, die Wände dunkelgrau. An jeder verfügbaren Stelle pappten Plakate, auf denen ein Sieg der Rebels beschworen wurde, aber insgesamt wirkte die verwirrende Vielzahl von Parolen eher unordentlich als ermunternd. Auf weiteren Anschlagbrettern wurden die Schüler aufgefordert, nein zu sagen: nein zu Drogen, Zigaretten und Sex.
» Kommt mir jetzt alles so klein vor«, sagte Brad im Flüsterton.
Obwohl es ihr sehr schwerfiel, verdrehte Lena bei dieser Bemerkung nicht die Augen. Seit sie mit George Clay gesprochen hatten, war Brad kein Cop mehr, sondern wieder ein Neuntklässler. Mit seinem runden Gesicht und den blonden Haarsträhnen, die ihm alle drei Sekunden in die Augen fielen, hatte Brad auch noch das passende Aussehen für diese Rolle.
» Das hier ist Miss Macs Schulzimmer«, sagte er und deutete auf eine geschlossene Tür. Er warf einen Blick durchs Fenster, als sie vorbeigingen. » Bei ihr hatte ich Englisch«, sagte er und strich sich das Haar zurück.
» Hmm«, antwortete Lena, ohne hinzuschauen.
Alle Türen zum Flur waren während der Pause nicht nur geschlossen, sondern sogar abgeschlossen. Wie in den meisten Kleinstadtschulen hatte man sich auch an der Lee High gegen unbefugte Eindringlinge abgesichert. Lehrer patrouillierten auf den Fluren, und zwei Beamte, die Jeffrey seine » Hilfsschnüffler« nannte, waren an die Schule beordert worden und residierten im vorderen Büro für den Fall, dass etwas passierte. Als Streifenpolizistin hatte Lena mehr als einmal eingreifen müssen, um Drogendealer oder Raufbolde festzunehmen. Aus dieser Erfahrung wusste sie, dass mit jungen Kriminellen, die in der Schule aufgegriffen wurden, weitaus schwerer umzugehen war als mit Erwachsenen gleicher Art. Jugendliche Gewohnheitstäter kannten die Gesetze, nach denen sie verhaftet werden durften, besser als die meisten Cops, und Angst war ihnen ohnehin fremd.
» Es hat sich alles so verändert«, sagte Brad und verlieh ihren Gedanken Worte. » Ich weiß gar nicht, wie die
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