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Vergiss mein nicht

Vergiss mein nicht

Titel: Vergiss mein nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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Augen zusammen, weil sie anscheinend einen Trick befürchtete. » Was sagen die über meine Tochter?«
    Lena überlegte krampfhaft, wie sie es am besten ausdrücken sollte. » Dass sie…«
    » Dass sie was?« Dottie blieb hartnäckig.
    Lena antwortete: » Dass sie sich mit einer Menge Jungen traf. Dass sie mit vielen Jungen zusammen war.«
    Der Schlag kam urplötzlich und war so heftig, dass Lenas rechte Gesichtshälfte sich schon Sekunden später taub anfühlte. Aber bevor sie noch einen Gedanken fassen, geschweige denn reagieren konnte, sah sie nur noch den Rücken von Dottie Weaver, die aus der Schule lief.
    Die Bibliothekstür wurde aufgestoßen, und Brad hielt sie für die Gruppe Lehrer auf, die er befragt hatte. Sie sahen müde aus und vielleicht auch ein wenig gereizt, aber soweit Lena sich erinnerte, war das um die Mittagszeit die normale Stimmung von Lehrern. Eine der Lehrerinnen sah sie an, und Lena konnte an deren abschätzendem Blick erkennen, dass sie etwas ahnte. Die Frau hob fragend eine Augenbraue, aber Lena war noch zu perplex, um zu reden.
    » Lena?«, versuchte Brad sie zu erreichen. Sie gab ihm durch ein Nicken zu verstehen, dass alles in Ordnung sei, und fragte sich, ob ihr Gesicht durch Dotties Ohrfeige gerötet war.
    Brad stellte sie den Lehrern vor, deren Namen Lena aber sofort wieder vergaß. Er sagte: » Sie kannten das Gerücht.«
    Lena blinzelte verständnislos.
    » Das Gerücht über Jenny«, klärte Brad sie auf. » Sie sagten, dass sie es gehört haben.«
    » Niemand hier hat es geglaubt«, sagte eine der Lehrerinnen, und ihrer Stimme war anzumerken, dass sie sich schon vor langer Zeit mit der Gewissheit abgefunden hatte, dass in der Schule Dinge vorgingen, von denen kein Lehrer je erfahren würde.
    » Sie war eine gute Schülerin«, sagte ein Lehrer. » Sehr still, hat ihre Hausaufgaben immer pünktlich gemacht. Ihre Mutter hat sich da wohl auch gekümmert.«
    Die anderen Lehrer nickten zustimmend, und Lena nickte auch, denn sie war immer noch zu geschockt, um angemessen zu reagieren.
    » Danke, dass Sie Ihre Zeit geopfert haben«, sagte Brad, um zu Ende zu kommen. Er schüttelte allen die Hände und erntete ohne Ausnahme von allen ermutigende Blicke.
    » Tut mir leid, dass wir nicht weiterhelfen konnten«, sagte eine von ihnen.
    Eine andere versprach: » Wenn uns etwas einfällt, melden wir uns.«
    Die Frau, die Lena so fragend gemustert hatte, verabschiedete sich als Letzte und sagte zu Brad: » Das war ausgezeichnete Arbeit, Bradley. Ich bin beeindruckt.«
    Brad strahlte. » Vielen Dank auch, Ma’am«, sagte er und senkte den Kopf wie ein glückliches Hündchen. Er wartete, bis alle gegangen waren, bevor er Lena fragte: » Wessen Buch?«
    » Gehörte Jenny Weaver«, antwortete sie ihm und blätterte darin, um festzustellen, ob irgendwelche Notizzettel darin zu finden waren. Doch es war leer, genau wie die anderen auch.
    » Woher haben Sie es?«
    Lena konnte ihm nicht antworten. » Hier«, sagte sie und reichte es ihm. » Geben Sie es bitte vorne im Büro ab, und dann treffen wir uns am Wagen.«
    Der Parkplatz von Suddy’s war recht leer, obwohl es schon acht war. Nach Sibyls und Nans Leben zu urteilen, saßen die meisten Lesben der Stadt jetzt daheim auf dem Sofa und schauten sich im Fernsehen Sitcoms an. Nicht, dass Sibyl etwa hätte zuschauen können, denn sie war blind gewesen, aber manchmal hatte es ihr gefallen zuzuhören, und Nan erzählte ihr, was sich abspielte.
    Lena verschränkte die Arme. Sie dachte an Sibyl und daran, wie sie ausgesehen hatte, als Lena sie zum letzten Mal sah; nicht im Leichenschauhaus, sondern am Tag vor ihrem Tod. Wie gewöhnlich hatte Sibyl vor Energie gesprüht und über etwas gelacht, das in einer ihrer Unterrichtsstunden vorgefallen war. Sibyl liebte es über alles, Lehrerin zu sein, und es machte ihr die größte Freude, vor einer Klasse zu stehen. Vielleicht hatte Lena deswegen so negativ darauf reagiert, heute in diese Schule zu müssen.
    Bevor sie es sich anders überlegen konnte, stieg sie aus. Verglichen mit anderen Bars war Suddy’s ganz nett. Im Gegensatz zu Hanks Bar in Reece, die Hut hieß, war Suddy’s sogar ein Palast. Die Außendekoration war recht spärlich, wahrscheinlich weil eine solche Lokalität nicht gerade Aufmerksamkeit erregen wollte. Abgesehen von einem Budweiser-Schild, in dessen Logo eine Neonfahne in Regenbogenfarben integriert worden war, hatte das Gebäude nichts Auffälliges an sich.
    Drinnen ging es fröhlich zu,

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