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Vergiss mein nicht

Vergiss mein nicht

Titel: Vergiss mein nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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Seite des Flurs und schaute aus dem Fenster. In der Mitte des Schulgebäudes befand sich ein Atrium, und gegenüber sah sie das Kantinenpersonal die Tische decken. So versunken sah sie dem Personal zu, dass sie einen Teil der letzten Nachricht überhörte. Sie hörte sie sich noch einmal an.
    » Hier spricht Pastor Fine, Lena«, begann die Nachricht. » Ich möchte mich entschuldigen, aber ich muss unser Treffen heute Abend absagen. Ein Mitglied unserer Gemeinde ist plötzlich erkrankt, und ich muss seiner Familie Beistand leisten.«
    Lena klappte das Handy zu, als er um Rückruf bat, damit sie einen neuen Termin vereinbaren könnten. Sie würde das von Jeffrey erledigen lassen. Eigentlich war es nicht ihre Art, zu weit im Voraus zu planen, aber auf das Treffen mit Fine an diesem Abend hatte sie sich eingerichtet. Blitzartig sah sie sich in ihr leeres Haus zurückkehren. Sie würde ganz allein sein. Furcht erfasste sie.
    Sie griff sich an die Brust und spürte ihr Herz gegen die Rippen schlagen. Sie schwitzte, und ihre Kniekehlen fühlten sich heiß und klebrig an. Sie wollte sich Hanks Nachricht nochmal anhören, denn vielleicht gab es da eine Nuance in seiner Stimme, die ihr entgangen war. Vielleicht hatte er eine Möglichkeit offengelassen. Vielleicht war es ja auch nur ein Trick, damit sie ihn darum bitten müsste, bei ihr zu bleiben.
    Die Schlussglocke läutete laut und so schrill, dass es in Lenas Ohren vibrierte. Sie sah sich auf dem leeren Flur um und vergaß für einen Augenblick, wo sie war und warum. Wie eine Traumgestalt tauchte eine Frau auf und kam auf sie zu. Vor ihren Augen flimmerte es, dann schrak sie zusammen, als ihr bewusst wurde, dass sie sich in Jenny Weavers Schule befand und die Traumgestalt niemand anders war als Dottie Weaver.
    » Scheiße«, murmelte Lena. Sie starrte auf ihr Handy, wollte es durch reine Willenskraft zum Klingeln bringen. Sie klappte es auf, als würde sie telefonieren wollen, aber es war schon zu spät. Dottie Weaver war keine drei Meter mehr von ihr entfernt, und in der Hand hielt sie ein dickes Lehrbuch.
    Die Weaver blieb mitten auf dem Flur stehen. In ihrem zornigen Gesicht war der Mund nur noch ein schmaler Strich. Ihre Augen waren blutunterlaufen, als hätte sie ein Jahr lang nur geweint. Ihr Gesicht war übersät mit roten Flecken.
    » Mrs Weaver«, sagte Lena und klappte ihr Handy zu.
    Dottie schüttelte den Kopf, als sei sie zu wütend, um einen Ton herauszubringen.
    » Wir sprechen gerade mit einigen Klassenkameraden und Lehrern, um uns ein Bild davon zu machen, was…«
    » Warum könnt ihr sie denn nicht in Frieden lassen?«, flehte Dottie. » Warum gönnt ihr Jenny nicht ihren Frieden?«
    » Es tut mir leid«, sagte Lena zu der Frau, und sie meinte es ehrlich.
    » Sie war mein Kind.«
    » Das weiß ich doch«, entgegnete Lena und blickte auf ihr Handy.
    » Sie ziehen ihren Namen in den Dreck und wollen sie als einen schlechten Menschen hinstellen.«
    » Das ist nicht unsere Absicht.«
    » Sie lügen!«, schrie Dottie und warf das Buch nach Lena. Die ließ ihr Handy fallen, um das Buch abzufangen, griff aber daneben. Der Buchrücken traf sie in der Magengrube, und sie zuckte zusammen, bevor es zu Boden fiel.
    » Mrs Weaver«, begann Lena und hielt inne, um das Buch aufzuheben.
    » Die Schule wollte das Buch zurückhaben«, sagte Dottie. Ihre Unterlippe zitterte, als sie fortfuhr: » Da haben Sie es. Nehmen Sie es und richten Sie denen aus, sie sollen alle zur Hölle fahren!«
    Lena bemühte sich, das Buch zu schließen, ohne die Seiten zu knicken. Dann hob sie ihr Handy auf, das anscheinend heil geblieben war.
    Dottie trocknete sich die Augen mit einem Papiertuch und putzte sich dann die Nase. Sie ging aber nicht fort, was Lena erst klar wurde, als sie wieder etwas sagte.
    » Jenny hat diese Schule geliebt«, klagte die Mutter und verschränkte die Arme vor dem Unterleib, als verursachte es ihr Schmerzen, an diesem Ort zu sein. » Sie ist so gerne hierhingegangen.«
    Lena hielt den richtigen Zeitpunkt für gekommen, um etwas zu klären. » Ist sie mit jemandem gegangen, Mrs Weaver?«
    » Nein«, schnauzte Dottie. » Natürlich nicht. Sie war doch noch ein Kind.«
    Lena, der immer unbehaglicher wurde, nickte. » Einige von den Mädchen haben aber gesagt…«
    » Welche Mädchen?«, fragte Dottie und sah sich suchend um.
    » Mädchen eben«, antwortete Lena. » Schulfreundinnen.«
    » Sie hatte keine Freundinnen«, behauptete Dottie. Sie kniff argwöhnisch die

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