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Vergiss mein nicht

Vergiss mein nicht

Titel: Vergiss mein nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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strengen System zu leben, um sich stets orientieren zu können.
    Wenn Nan die Schärfe in Lenas Ton bemerkt hatte, ließ sie sich nichts anmerken.
    » Hier«, sagte sie und blieb vor einem weißen Toyota Camry stehen. Das Fenster auf der Fahrerseite war offen, und Nan griff hinein, um den Kofferraum zu öffnen.
    » Du solltest deinen Wagen lieber abschließen«, riet Lena.
    » Warum?«, fragte Nan und schien wirklich nicht zu wissen, worauf Lena hinauswollte.
    » Dein Wagen steht direkt vor einer Schwulenbar. Du solltest wirklich etwas vorsichtiger sein.«
    Nan stemmte die Hände in die Hüften. » Sibyl wurde am helllichten Tage in einem Diner ermordet. Glaubst du wirklich, dass ich in Sicherheit bin, wenn ich mein Auto abschließe?«
    Sie hatte Recht, aber Lena ließ nicht locker. » Ich habe ja nicht gesagt, dass du ermordet werden könntest. Aber jemand könnte das Innere des Wagens mutwillig ruinieren oder so.«
    » Na ja…« Nan zuckte die Achseln, und für einen kurzen Augenblick wirkte sie haargenau wie Sibyl. Nicht, dass sie äußerlich auch nur im Geringsten Sibyl glich, nein, es war diese gleichmütige » Es kommt, wie’s kommen muss«-Haltung.
    » Hier sind ein paar von ihren Kassetten«, sagte Nan und reichte Lena einen quadratischen Karton. » Sie hat sie in Braille beschriftet, aber die meisten haben auch noch ihren ursprünglichen Titel.«
    Lena nahm den Karton und war überrascht, wie schwer er war.
    » Das hier sind Fotos«, sagte Nan und stellte einen zweiten Karton auf den in Lenas Händen. » Ich weiß auch nicht, warum sie die aufbewahrt hat.«
    » Ich habe sie gebeten, sie für mich zu verwahren«, erklärte Lena. Sie wusste noch genau, wann sie Sibyl den Karton mit den Bildern gebracht hatte. Greg Mitchell, Lenas letzter Freund, hatte sie gerade verlassen, und Lena wollte die Fotos von ihm nicht bei sich im Haus haben.
    » Ich nehme den hier«, erbot sich Nan. Sie nahm den letzten Karton, der größer war als die beiden anderen, heraus und stützte ihn mit dem Knie, um den Kofferraum zu schließen. » Hier sind nur Sachen drin, die sie im Wandschrank hatte. Ein paar Urkunden und Preise aus der Highschool, ein Zielband, das dir gehört, nehme ich an.«
    Lena nickte und ging zu ihrem Celica.
    » Ich habe ein Strandfoto von euch beiden gefunden«, sagte Nan lachend. » Sibby hat einen Sonnenbrand und sieht ganz unglücklich aus.«
    Weil Nan hinter ihr ging, gestattete sich Lena ein Lächeln. Sie erinnerte sich an jenen Tag und daran, dass Sibyl darauf bestanden hatte, im Freien zu bleiben, obwohl sie von Hank gewarnt worden war, die Sonne sei zu stark. Die dunkle Brille, die Sibyl stets trug, schützte ihre Augen, und als sie sie absetzte, war ihr Gesicht krebsrot bis auf die Stellen, die von der Brille verdeckt gewesen waren. Noch tagelang sah sie aus wie ein Waschbär.
    » …Sonnabend vorbeikommen und all die anderen Dinge durchgehen. Ich möchte ihren Computer und das gesamte Zubehör der Blindenschule drüben in Augusta überlassen.«
    » Welche anderen Dinge?«, fragte Lena und befürchtete, Nan habe vor, Sibyls Sachen wegzuwerfen.
    » Papierkram«, sagte Nan. Sie setzte den Karton ab. » Hauptsächlich Schulzeug. Ihre Dissertation, ein paar Aufsätze. So was halt.«
    » Und das willst du einfach wegwerfen?«, fragte Lena.
    » Weggeben. Es ist ja nichts wirklich Wertvolles«, sagte Nan, als spräche sie mit einem Kind.
    » Für Sibyl war es aber wertvoll«, entgegnete Lena, die durchaus merkte, dass sie immer lauter wurde. » Wie kannst du überhaupt auf den Gedanken kommen, das wegzugeben?«
    Nan blickte zu Boden und sah dann Lena an. Ihr leicht gönnerhafter Ton verschwand nicht. » Ich habe dir doch gesagt, du kannst das gern alles haben, wenn du es denn möchtest. Aber es ist alles in Braille. Und das wirst du ja wohl kaum lesen können.«
    Lena lachte verächtlich. » Eine schöne Geliebte warst du.«
    » Was zum Teufel soll das denn heißen?«
    » Ganz offensichtlich haben diese Sachen ihr doch etwas bedeutet, denn sonst hätte sie das wohl kaum alles aufgehoben«, sagte Lena. » Aber nur zu, gib doch einfach alles weg.«
    » Entschuldige mal«, sagte Nan und zeigte auf die Kartons. » Wie oft habe ich dich anrufen und bitten müssen, das Zeug hier abzuholen?«
    » Das ist doch etwas ganz anderes«, entgegnete sie und kramte in der Tasche nach ihren Schlüsseln.
    » Und wieso?«, kam die Frage von Nan. » Weil du im Krankenhaus warst?«
    Lena warf einen Blick über die Schulter zur

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