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Vergiss mein nicht

Vergiss mein nicht

Titel: Vergiss mein nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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Beck von » Debra« zu singen begann, hatte Lena den Song schon erkannt. Sie musste an Mark Patterson denken. Die Bewegungen der Tänzerin waren sinnlich, aber auch beunruhigend, und das erinnerte sie an den jungen Mann. Sie beobachtete die Tänzerin und fragte sich, was um Himmels willen mit Jenny Weaver los gewesen sein mochte. Wieso hatte Mark diese Macht über sie gehabt? Was hatte er an sich, dass sich ein dreizehnjähriges Mädchen für ihn prostituierte? Das passte doch hinten und vorne nicht zusammen.
    Lena überlegte, ob Mark wohl auch auf diese Weise tanzte, obwohl sie sich kaum vorstellen konnte, dass der Junge so mutig wäre, sich in die Mitte einer leeren Tanzfläche zu stellen. Diese Gedanken überraschten Lena, denn sie merkte, dass sie anfing, Vermutungen über Marks Persönlichkeit anzustellen. Sie wusste nur wenig über ihn, und doch hatte ihr Unterbewusstsein ihm bereits bestimmte Charaktereigenschaften zugewiesen.
    Um sich aus dem Gedankengespinst zu befreien, drehte Lena sich um. Judy las wieder in ihrer Zeitung und hatte Lenas Drink zusammen mit dem Wechselgeld auf dem Tresen gelassen. Lena überlegte, wie viel Trinkgeld sie geben sollte, als sie sich im Spiegel sah. Ganz kurz erschrak sie und verstand, was Judy gesehen hatte, als sie in die Bar gekommen war. Für einen Sekundenbruchteil war Sibyl da, und bei deren Anblick drohte ihr Herz stillzustehen.
    Plötzlich ertönte von draußen Lärm, und eine ganze Horde stürmte herein. Sie trugen alle ähnliche Softball-Sportkleidung, lachten und machten derbe Scherze. Ihre Hosen waren schwarz mit weißen Streifen an der Seite, ihre Hemden weiß mit der Aufschrift BUSHWHACKERS auf der Brust.
    » Ach, du Scheiße«, stöhnte Lena, als sie mit Verzögerung die Anspielung begriff. Sie stand auf, als sie Nan Thomas mitten in der Gruppe erkannte. Die unscheinbare Bibliothekarin hatte ein neonrosa Band an ihrer Brille, und die Vorderseite ihres Hemds war so verdreckt, als sei sie mit Schwung über das Spielfeld gerutscht. Im Gegensatz zu einigen anderen der Gruppe war bei Nan nicht das geringste Anzeichen zu bemerken, dass sie Lena mit ihrer Schwester verwechselt hätte. Sie runzelte nur die Stirn.
    Jemand klopfte Lena leicht auf die Schulter, und als sie sich umdrehte, sah sie zu ihrer Überraschung Hare Earnshaw neben sich stehen. Er trug Jeans und auch eines dieser Bushwhackers-Shirts, dazu eine Mütze mit einem großen B.
    » Wie geht’s denn, Lena?«, fragte er.
    Vielleicht lag es am Alkohol– jedenfalls platzte Lena mit einem überraschten » Was, du bist auch schwul?« heraus. Hare war Arzt in ihrer Stadt, und vor ein, zwei Jahren war Lena einmal wegen einer hartnäckigen Erkältung in seiner Sprechstunde gewesen.
    Hare lachte, weil sie so verblüfft war. » Das hier ist mein Team«, sagte er und deutete auf sein Hemd. Dann beugte er sich zu ihr hinunter und sagte augenzwinkernd: » Ich bin der Catcher.«
    Lena wich zurück und prallte prompt gegen Nan. Ringsherum redeten alle über das Spiel, das sie gerade hinter sich hatten. Lena zupfte am Halsbündchen ihres T-Shirts. Klaustrophobie ergriff sie, und sie entfernte sich von der Mannschaft Richtung Vordertür.
    » Lee?«, sagte Nan, korrigierte sich aber, noch bevor Lena es tun konnte: » Lena.«
    » Ich hab dir doch gesagt, du sollst mich nicht so nennen«, schnauzte Lena und verschränkte die Arme.
    » Ich weiß.« Nan hob abwehrend beide Hände. » Tut mir leid. Es ist nur, weil Sibby dich immer so genannt hat.«
    Lena unterbrach sie. » Können wir bitte die Sachen holen? Ich muss dringend nach Hause.« Ihre Stimme sank bei » nach Hause«, weil sie an das leere Haus denken musste. Hank war nicht ans Telefon gegangen, als sie in seiner Bar angerufen hatte. Der Mistkerl! Es war so typisch für ihn, sie ausgerechnet dann im Stich zu lassen, wenn sie ihn am meisten brauchte.
    » Die Sachen sind draußen auf dem Parkplatz«, sagte Nan und hielt Lena die Tür auf. Sie blieb jedoch stehen, um Nan vorausgehen zu lassen. Sie hatte nichts dagegen, sich von Brad Stephens die Tür aufhalten zu lassen, aber bei einer Frau kam das für Lena absolut nicht infrage.
    Nan berichtete ihr auf dem Weg zum Parkplatz: » Ich habe versucht, alles so aufzubewahren, wie sie es hinterlassen hat.« Sie klang dabei aufgesetzt unbeschwert. » Du weißt ja, wie gern Sibby immer alles ganz ordentlich hatte.«
    » Das musste sie ja wohl«, gab Lena unwirsch zurück. Eine Blinde war schließlich darauf angewiesen, nach einem

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