Vergiss mein nicht!
Armen und zieht mich hoch. Als er mich wieder runterlässt, sage ich: »Das ist also dein Zimmer, ja?«
»Ja, richtig geraten. Setz dich.« Er zeigt auf sein Bett und ich nehme stattdessen den Stuhl, von dem er eben aufgestanden ist.
»Ich dachte, du hättest mehr ... Zeug. Pokale und so.«
»Tja, meine Mom mag keine Löcher in der Wand. Außerdem hat mein Dad ein Extrazimmer mit meinem ... Zeug . Peinlich.«
»Er ist stolz auf dich.«
»Er liebt Football. Schon sein ganzes Leben lang.«
»Und deshalb hast du mit Football angefangen?«
»Ja, mein Dad soll mir einen Football geschenkt haben, als ich geboren wurde.«
»Ist er auch Telekinet?«
Er nickt langsam und schaut sich um, als würde ihm zum ersten Mal auffallen, wie kahl sein Zimmer ist.
»Bist du schon am Meer gewesen?«, frage ich und deute mit meinem Kopf auf das Bild.
»Einmal. Ist schon lange her. Ich mochte es.« Er starrt auf das Bild. »Hängen an deinen Wänden Poster mit heißen Typen oder so?«
»Woher weißt du das?«
»Im Ernst?«
»Nein. In Wahrheit habe ich jede Menge ... äh ...« Ich zupfe an meinen Fingern, weil mir klar ist, wie uncool das gleich klingen wird und wie wenig er überhaupt von mir weiß. »Sprüche, die ich mir an die Wände gemalt habe, und Seiten aus Büchern.«
»Seiten aus Büchern?«
»Ja, einige sind aus Romanen, andere aus Comicromanen.«
Er zieht eine Augenbraue hoch. »Comicromanen?«
»Ja, aber nicht, weil ich die Figuren süß finde oder so.« Auch wenn Laila sie manchmal mit verträumten Augen anstarrt. »Es geht mir mehr um die Handlung ... normalerweise die Stellen, die ich besonders spannend finde oder die mich am traurigsten machen. Ich hefte mir die Seite an die Wand und jedes Mal, wenn ich sie lese oder draufschaue, empfinde ich wieder das, was ich beim Lesen empfunden habe ...« Ach du Scheiße, das ist ja nicht normal. Warum erzähle ich ihm das? »... Egal.«
»Nein, warte, erzähl weiter. Das heißt, du magst es, dich an bestimmte Empfindungen zu erinnern?«
»Irgendwie schon.« Ich ziehe mein Knie an. »Das ist schwer zu erklären. Ich lebe unter Menschen, die, ob nun gewollt oder nicht, mich manipulieren können. Wie meine Mom zum Beispiel. Sie behauptet, sie würde mich nie überzeugen, aber allein die Tatsache, dass ich weiß, dass sie es kann, macht es sehr viel wahrscheinlicher, dass ich auf sie höre. Ich will ja nicht, dass sie ihre Gabe bei mir benutzt.
Also manipuliert sie mich auf gewisse Weise trotzdem, auch ohne ihre Fähigkeit wirklich einzusetzen. Ich erspare ihr nur den einen Schritt. Bei meinem Dad ist es dasselbe. Weil ich weiß, dass ich ihn nicht anlügen kann, tue ich es nicht. Klingt irgendetwas davon sinnvoll?«
»Ja, natürlich, aber ich kapier nicht, was das mit den Buchseiten zu tun hat, die du dir an die Wand hängst.«
Der Schreibtischstuhl dreht sich, als ich mein Bein strecke und wieder anziehe. »Wenn ich lese, gehören alle Gefühle, die ich dabei empfinde, nur mir. Es sind Gefühle, die kein anderer erzeugt. Mir kommen sie viel echter vor, weil ich weiß, dass die Charaktere aus Büchern mich nicht steuern können. Ich möchte mich immer wieder daran erinnern, dass ich fühlen kann, ohne dass mich jemand manipuliert ... ich weiß, das klingt schwachsinnig.«
»Nein, das klingt überhaupt nicht schwachsinnig. Aber du hörst dich wieder wie eine Naturalistin an. Es klingt, als würdest du lieber in einer Welt leben wollen, in der niemand Talente hat.«
Mein Blick schweift auf das Bergpanorama vor seinem Fenster. »Nein. Ich möchte in einer Welt leben, in der Menschen nicht ihre Gaben an mir missbrauchen, um ihre eigenen Ziele zu erreichen.«
»Du traust den Menschen nicht, oder?«
»Ich habe so viele verschiedene Realitäten gesehen. Vermutlich macht mich das skeptischer als die meisten anderen.« Ich drehe mich zu seinem Schreibtisch. »Woran arbeitest du denn gerade?«
»Versuchst du, das Thema zu wechseln?«
»Ja.«
Er lacht. »Ich erledige Collegekram.«
»Oh.« Der Gedanke bringt alles in mir zum Stillstand. Duke geht nächstes Jahr ans College. Ich nicht. »Wo gehst du hin?«
»Ich hab mich noch nicht entschieden. Ich habe so viele Möglichkeiten und alle haben mir Football-Vollstipendien angeboten. Es ist eine schwere Entscheidung.«
»Ja, mit Sicherheit ist es das.«
»Na ja, für dich ja nicht. Du kannst die Alternativen einfach ausloten und alles wird gut.« Ich spüre einen Anflug von Bitterkeit und weiß nicht genau, was ich
Weitere Kostenlose Bücher