Vergiss mein nicht!
du, so eine Art weiterentwickelte Talentsteuerung.«
In meinem Kopf tauchen all die Vorträge auf, die meine Mom über die Gefahren von mentalen Experimenten gehalten hat, die noch nicht getestet worden sind. »Bist du verrückt geworden? Willst du dir einen Hirnschaden holen? Es gibt einen Grund dafür, dass wir die Grenzen unserer Talente erst dann testen dürfen, wenn unser Denkvermögen voll entwickelt ist.« Mir ist klar, dass ich genau wie meine Mutter klinge, aber in diesem Fall hat sie recht.
Laila lässt ihre Kaugummiblase platzen. »Und was für ein Grund soll das bitte schön sein? Dass Erwachsene uns kontrollieren können? Sie halten uns einfach nur nicht für fähig, mit den erweiterten Kräften umzugehen. Die denken, dass wir sie missbrauchen würden.«
»Keine Ahnung, wie die auf so was kommen würden«, sage ich sarkastisch und zeige auf das Auto, dessen Alarmanlage sie eben ausgeschaltet hat. »Wie machst du das?«
»Ich spüre den Sicherungskasten des Autos auf und lösche die letzten dreißig Sekunden seines ›Gedächtnisses‹.« Sie beendet den Satz mit Anführungszeichen, die sie mit den Fingern in die Luft malt.
Ich schaue etliche Male zwischen ihr und dem Auto hin und her.
»Und das ist noch nicht alles«, sagt sie. »Pass auf.« Sie hält ihre Hände hoch und schließt die Augen. Ich bin mir nicht sicher, worauf ich warte. Das Auto ist ja bereits gelöscht. Dann aber heult der Alarm ganz plötzlich wieder los, der Lärm geht mir durch und durch. Ich halte mir die Ohren zu und die Schultern ziehe ich gleich mit hoch. Laila grinst übers ganze Gesicht und bringt dann das Auto wieder zum Schweigen.
Sie zeigt auf mich. »Wieso hältst du dir die Ohren zu? Warum hast du den Lärm nicht einfach mental abgeschwächt?«
Ja, warum eigentlich nicht? Weil ich aus der Übung bin? »Keine Ahnung. Vielleicht war es der Überraschungsmoment ...« Ich lasse meine Hände sinken und starre auf das Auto. Meine Gedanken rasen. »Hast du eben ...«
»Ich habe das Gedächtnis wiederhergestellt.«
Mein Mund öffnet und schließt sich zweimal, bis ich endlich hervorbringe: »Ich hatte keine Ahnung, dass du so etwas kannst.«
»Konnte ich auch nicht. Weiterentwickelte. Talent. Steuerung.« Sie lacht. »Komm.« Sie zieht mich am Arm und wir gehen weiter.
»Du hast dich mit Bobby getroffen?«, frage ich, als ich endlich im vollen Umfang erfasse, was sie mir da eben erzählt hat. Wie hat ausgerechnet er es in ihren neuen Freundeskreis geschafft?
»Ich weiß, ich weiß.« Sie macht eine wegwerfende Handbewegung, als sei nichts dabei. »Mir blieb nichts anderes übrig. Mir geht es darum, mich verteidigen zu können. Mein Dad hat so einen gruseligen Freund, der ständig vorbeikommt und meine Mom und mich bedroht. Ich hatte gehört, dass Bobby wirklich gut darin ist, Fähigkeiten zu erweitern.«
Wir kürzen den Weg zum Football-Stadion über das Baseballfeld ab, das im Dunkeln liegt. »Jemand hat dich bedroht? Alles in Ordnung?«
»Ja, alles in Ordnung. Irgendein Loser, der sich daran aufgeilt, Mädchen zu erschrecken. Wahrscheinlich fühlt er sich dann stark. Nichts, womit ich nicht umgehen kann.«
Ich hake mich bei ihr unter. »Sei ja vorsichtig, okay?«
»Bin ich.«
»Apropos – hast du von einem ermordeten Mädchen im Sektor gehört, ungefähr in unserem Alter?«
»Was? Nein. Wieso?«
»Mein Dad ermittelt gerade in einer Sache, aber wenn du noch nichts davon gehört hast, halten sie es vermutlich unter Verschluss.«
»Ein Mord? Im Sektor? Bist du dir sicher? Wer ist der Täter?«
»Sie verhören die Verdächtigen gerade. Vielleicht ist es gar kein Mord gewesen. Selbstmord wäre auch eine Alternative.«
»Das würde schon mehr Sinn ergeben. Schlimm, das. Aber heißt das etwa, dass du in den Sachen deines Dads herumgeschnüffelt hast? Böses Mädchen!«
Ich trete gegen den Schotter, als wir auf den beleuchteten Schalter zugehen. »Ich weiß, er würde furchtbar wütend werden.«
»Mich überrascht, dass du das vor ihm verbergen konntest.«
»Er hat mir bloß nicht die richtigen Fragen gestellt. Hoffentlich fängt er nicht noch damit an.«
Am Eingang zeigen wir der Frau unsere Tickets und gehen ins Stadion. Die Livemusik und der Lärm der Menge lassen mein Herz sofort stärker schlagen.
»Hey, hey … Du grinst ein bisschen geistesgestört!«, sagt Laila.
»Ich bin aufgeregt, weil du meine neuen Freunde kennenlernst. Und weil sie dich kennenlernen. Und nicht vergessen ...«
»Ja, ja, wir
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