Vergiss mein nicht!
Anblick!«
Ich folge ihrem Blick und sehe Duke den Fußweg vom Parkplatz hochkommen. Ich gebe ihr einen Klaps auf den Arm. »Hey, das ist mein Freund, dem du da hinterhersabberst.«
Sie lacht. »Ich weiß. Er ist sexy.«
Duke bleibt bei jemandem stehen. »Wer ist das?«, frage ich, weil ich nur den Hinterkopf erkennen kann.
»Sieht aus wie Bobby.«
Strähnige Haare, ausgefranste Jeans, runde Schultern. »Ja, du hast recht, das ist er.«
»Willst du Duke nicht begrüßen?«, fragt Laila, als ich weitergehe.
»Wir sind später verabredet.«
Als wir schon fast beim Klassenraum sind, zieht etwas an meinem Rucksack und hält mich zurück. »Hey«, sagt Duke hinter mir.
Laila winkt und läuft weiter. »Bis nachher.«
»Bye.« Ich drehe mich um.
Er grätscht, bis wir auf Augenhöhe sind, dann zieht er mich an sich. »Wolltest du einfach an mir vorbeigehen, ohne Hallo zu sagen?«
»Du warst mit Bobby beschäftigt.«
»Für dich bin ich nie zu beschäftigt.«
Unsere Beziehung fühlt sich irgendwie anders an. Als hätte jemand meinen Lieblingspulli in den Trockner gesteckt und jetzt passt er nicht mehr richtig. Am liebsten würde ich an ihm ziehen und zerren, bis er wieder bequem sitzt. Er ist mein Freund, ermahne ich mich. Ich habe keine Probleme damit, jemandem eine neue Schublade zu verpassen, wenn er es verdient. Er hat es verdient. Oder? Ich spiele an seinem obersten Jackenknopf und schaue ihm in die Augen. »Wollen wir heute Abend etwas zusammen machen? Wir können uns einen Film holen oder so.« Noch während ich spreche, fällt mir wieder die Nachricht ein, die Duke vor ein paar Tagen bekommen hat, als er sein Handy in seinem Zimmer vergessen hatte. Ray und die Football-Spieler wollten sich heute Abend im Fat Jack treffen. Das war’s! Deshalb habe ich das Gefühl gehabt, irgendetwas vergessen zu haben. Es war seine Verabredung.
Er schaut hoch und beißt sich auf die Lippe. »Heute Abend? Da habe ich schon etwas vor, was war das noch?«
Ich will gerade seinem Gedächtnis auf die Sprünge helfen, aber er fährt fort: »Ach ja, ich muss mit meinen Eltern zu diesem blöden Geschäftsessen gehen. Das wird unglaublich langweilig. Glaub mir, ich würde viel lieber etwas mit dir unternehmen. Vielleicht kannst du ja mitkommen?« Er lächelt, aber dann verschwindet sein Lächeln wieder. »Ach ja, richtig« – er zieht an meiner blauen Haarsträhne – »du hast immer noch Hausarrest. Vermutlich muss ich da allein durch.« Es klingelt zum zweiten Mal, aber ich rühre mich nicht von der Stelle. Er küsst mich auf die Wange und dann auf den Mund. »Du solltest lieber reingehen. Ich ruf dich nach dem Geschäftsding an, okay?«
»Okay.« Er geht und ich balle meine Hände zu Fäusten. Er hat mich angelogen. Und weswegen? Weil er sich mit Ray trifft? Hätte er das nicht einfach sagen können? Jungsabend oder was weiß ich? Verheimlicht er mir etwas? Was gibt es zu besprechen, das ich nicht hören darf? Ich hasse mich dafür, dass Laila recht behält und ich die misstrauische Freundin spiele, aber ich muss heute Abend unbedingt ins Fat Jack und herausfinden, worum es bei ihrem Treffen geht.
30.
autoNO(R)M – keine Kontrolle über meine unwillkürlichen Handlungen haben
T revor liegt bäuchlings auf dem Fußboden, den aufgeschlagenen Zeichenblock vor sich. Er skizziert mehrere Comicfiguren, für die ich schon den Text geschrieben habe. Ich sitze neben ihm, kaue auf meinem Stift herum und versuche, einen Weg zu finden, wie man den Sektor am besten in eine Geschichte packt. Es stellt sich als viel schwieriger heraus, als ich gedacht hatte. Ich lehne mich an sein Bett und starre für eine Minute an die Decke. Im Gegensatz zu meiner eigenen Zimmerdecke stehen dort keine inspirierenden Sprüche.
Ich lege mein Ringbuch und meinen Stift zur Seite, rutsche zu ihm hinüber und lege mein Kinn auf seine Schulter, damit ich ihm beim Zeichnen zuschauen kann. Die Sicherheit, mit der seine Hand über das Papier gleitet und Formen entstehen lässt, wo vorher keine waren, hält mich einen Moment lang in Bann. »Du bist unfassbar gut. Das weißt du doch, oder?«
Er schlägt eine neue Seite seines Skizzierblocks auf, nimmt meine Hand und legt sie auf das Blatt. Dann zieht er mit seinem Stift langsam jeden einzelnen Finger nach. Ein Schauer läuft mir über den Rücken, als der Stift an der Seite meiner Handfläche entlangstreicht. Dieses Spiel habe ich das letzte Mal gemacht, als ich fünf war, aber ich bin mir sicher, dass sich
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