Vergiss nicht zu atmen
ich versuchte es. Ich versuchte es wirklich. Ich bin ein paar Mal mit Randy ausgegangen. Und dann eines Nachts hatten Randy und ich ein paar Drinks getrunken, ein paar Drinks zuviel. Und irgendwie fand ich mich in seinem Zimmer wieder. Er versuchte mit mir zu schmusen. Ich war dafür nicht bereit. Nicht auf lange Sicht gesehen. Das Nächste, an das ich mich erinnere ist, dass er mich auf sein Bett schubste und versuchte mir mein Shirt vom Leib zu reißen. Ich versuchte mich zu wehren, aber ich konnte mich kaum bewegen.
Ich schrie und es war pures Glück, dass seine Zimmergenossen in genau diesem Moment das Zimmer betraten. Sie zogen ihn von mir weg und ich stolperte weinend hinaus.
Das wäre nie passiert, wenn Dylan sich nicht so plötzlich von mir getrennt hätte.
Das wäre nie passiert, wenn ich nicht so viel getrunken hätte.
„Geht es dir gut?“, fragte Kelly.
Ich schaute zu ihr hin und nickte.
„Ich habe nur gerade über Dylan nachgedacht, und… alles Andere.“
„Oh, Scheiße“, sagte Kelly „Du bist immer noch bis über beide Ohren in ihn verliebt, oder?“
„Nein“, sagte ich im gleichen Moment in dem ich nickte.
Kelly grinste: „Versuch das noch mal.“
„Oh Scheiße, Kelly. Ich liebe ihn immer noch.“
„Du weißt, dass er sich wie ein Arschloch benommen hat indem er sich auf diese Weise von dir getrennt hat.“
„Ich weiß.“
„Er hat dir keine Chance für eine Erklärung gegeben. Das war einfach bescheuert. Er hat seinen dummen männlichen Stolz das Beste, das er je hatte, zerstören lassen.“
Ich nickte. Sie war keine Hilfe. Kein. Bisschen.
„Du wirst versuchen, ihn zurückzubekommen, oder?“
„Nein“, sagte ich.
„Ich glaube dir nicht. Du lügst mich an, Alex.“
„Nein. Keine Chance. Er hat’s versaut, Kelly. Er hat mein Herz gebrochen. Ich kann nicht zurück. Niemals. Keine Chance.“
„Sicher, Alex, sicher. Egal.“
Sie wandte sich wieder ihrem Drink zu und ich schaute in den Spiegel über der Bar. Log ich sie an? Oder mich selbst?
Ich wusste darauf keine Antwort.
Kapitel 4
Dann mal los, Marinesoldat (Dylan)
8:00 Uhr. Montagmorgen. Es war Zeit für meine nächste Foltersession im VA-Krankenhaus.
Direkt nachdem ich verletzt wurde, haben sie mich in das Krankenhaus in Bagram evakuiert, ein ausgedehntes Areal versteckt hinter Explosionsschutzwänden, das gefüllt war mit Containern und anderen provisorischen Gebäuden. Ich war immer noch halb bei Bewusstsein gewesen und so erhaschte ich einen kurzen Blick vom Eingang des Krankenhauses aus. Ich erinnere mich, wie ich das Hospital unter mir vorbeifliegen sah und erkannte, dass ich vermutlich nach Hause gebracht wurde.
Ich erinnere mich außerdem, wie ich in die Notaufnahme gerollt wurde, aber dann an nichts mehr, bis ich in Deutschland aufgewacht bin. Die Ärzte sagten mir, dass immer noch ein beträchtliches Risiko bestand, mein Bein zu verlieren: Die Verletzungen an den Muskeln und dem tiefliegenden Gewebe waren ziemlich schlimm. Ich verbrachte fast dreißig Tage in Deutschland, danach verlegten sie mich nach Washington DC, wo ich bis zur meiner Entlassung aus der Army, Mitte Mai blieb. Sie haben mein Bein gerettet, aber zu diesem Zeitpunkt saß ich immer noch in einem Rollstuhl.
Im Walter Reed Militärkrankenhaus traf ich einen der Mitarbeiter für Öffentlichkeitsarbeit der Columbia Universität, der mich drängte, mich zu bewerben. Ich hatte so meine Zweifel. Mehr als Zweifel. Ich dachte nicht, dass ich an einer Uni Erfolg haben konnte, schon gar nicht an einer Eliteuni wie Columbia.
Meine Mutter drängte mich aber, es zu versuchen. Sie drängte mich auch aus dem Rollstuhl raus zukommen, mit der Physiotherapie weiterzumachen, kurz alles und mehr zu tun, als die Ärzte mir rieten. Sie arbeitete mit dem Typen der Columbia-Uni zusammen, der sich für mich einsetzte, und das, obwohl der Bewerbungsschluss längst vorbei war. Und hier war ich nun.
Sehen Sie, ich hab’s kapiert. Ich bin ein wirklicher Glückspilz. Roberts schaut sich auf einem Friedhof in Birmingham, Alabama, die Radieschen von unten an. Ich habe seine Familie letzten August getroffen. Endlich konnte ich mich wieder ohne Rollstuhl bewegen, also besuchte ich sie um ein Bier mit seinem Vater zu trinken und seine Mutter zu umarmen. Natürlich erzählte ich ihnen nicht, dass ich an Roberts Tod Schuld war. Manchmal wünsche ich mir, er wäre derjenige gewesen, der überlebt hat. Ich meine, es war einfach Glückssache.
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