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vergissdeinnicht

vergissdeinnicht

Titel: vergissdeinnicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cat Clarke
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mächtigen Bauchplatscher. Das schlimmste aller Gefühle.
    Dass ich nicht weiß, was los ist, macht mich wirklich fertig. Ich will damit nicht sagen, dass es besser wäre, wenn Ethan mir etwas angetan hätte oder so was, aber dann hätte ich zumindest eine Vorstellung, womit ich es hier zu tun habe. Dann könnte ich mich wenigstens gegen einen perversen Vergewaltiger wehren. Ich kann mich nicht gegen Ethan wehren …
    * * *
    Ich saß also auf der Schaukel neben diesem Typen und sagte Hallo. Und er sah mich auf seine seltsame Art an. Ich sagte noch mal Hallo. Er flüsterte ein heiseres Hallo, dann räusperte er sich und sagte es noch mal lauter. Das erinnerte mich an die Vormittage nach einer durchsoffenen Nacht. Wenn ich rumhänge und Kinderfernsehen schaue in so einer Art vernebeltem, nachalkoholischem Stumpfsinn, und dann klingelt das Telefon, und ich merke, dass ich nicht vernünftig sprechen kann, weil ich seit zwölf Stunden oder so kein Wort gesagt habe.
    Ich stellte mich vor und streckte ihm meine Hand hin. Er sah sie an, als wüsste er nicht genau, was er damit machen sollte, und gerade, als ich sie zurückziehen wollte, nahm er sie und schüttelte sie. Seine Hand war weich und stark, sein Händedruck fest. Ich hab es vorher vergessen zu erwähnen, aber Ethan hat auch perfekte Hände. So als könnte er wahnsinnig toll Klavierspielen. Gott, alles an ihm ist wunderschön. Es kotzt einen echt an.
    Er sagte, er heiße Ethan, und ich staunte. Mum hatte mir mal erzählt, dass sie mich Ethan genannt hätte, wenn ich ein Junge geworden wäre. Ich hatte noch nie einen Ethan kennengelernt.
    Ich fragte ihn, ob er einen Schluck von meinem Gin wollte. Er schüttelte langsam den Kopf und sah mich ganz seltsam an. Legte den Kopf schief und warf mir einen fragenden Blick zu, als wollte er sagen: »Sicher, dass du das trinken solltest?« Da er es aber nicht laut sagte, fand ich, dass ich absolut jedes Recht hatte, es zu ignorieren. Ich trank ein paar Schlucke. Es fing an, ganz gut zu schmecken.
    Bis jetzt konnte man die Unterhaltung nicht wirklich flüssig nennen, aber das sollte mich nicht aufhalten. Ich fragte ihn, woher er kam, worauf er sagte: »Aus der Gegend.« (Dieses jedem-der-genau-zuhört-und-dem-es-nicht-egal-ist-ob-er-lebt-oder-stirbt-verdächtige »aus der Gegend«.) Jedenfalls fing ich an, über alles und nichts zu plappern: den Park, den nervenden Typen im Off-Licence, das Wetter (ja, das Wetter , glaubt man’s denn!). Dann ging ich zu anderen Dingen über. Richtigen Dingen. Und irgendwann vergaß ich, dass ich ihn eigentlich loswerden wollte. Ich trank mehr, und es stellte sich dieses ach so bekannte Gefühl ein, dass die Wörter, die ich sagen wollte, ein ganz kleines bisschen zu groß für meine Zunge waren und ich mich SEHR DEUT-LICH AUS-DRÜ-CKEN MUSS-TE .
    Ethan schien meine Laberattacke nicht zu stören. Hin und wieder lächelte er mich an oder fragte nach.
    Ehrlich gesagt stellte er eine Menge Fragen. Aber immer, wenn ich ihn etwas fragte, wich er sauber aus. Entweder, indem er auf Meister der vagen Antwort machte, oder indem er mir dieselbe Frage gleich zurückgab. Das ist geschummelt.
    Ich war ihm gegenüber gar nicht misstrauisch. Ich fühlte mich sogar seltsam sicher. Ich war nicht wirklich fröhlich . Schließlich hatte ich immer noch vor, mich umzubringen. Wie fröhlich kann man in so einer Situation sein? Es ist nur so, dass ich das Gefühl hatte, mit Ethan zu reden sei die richtige Art, die Zeit zu verbringen, die mir noch blieb. Und ich dachte auch, wir hätten etwas gemeinsam. Uff. Geschrieben sieht das noch dämlicher aus, als es sich in meinem Kopf angehört hat.
    Also, kommen wir zum Hauptereignis, an das ich mich erstaunlich gut erinnere. Die Zeit verging, der Gin wurde immer weniger, und in meinem Kopf verschwamm alles – und zwar nicht nur ein bisschen. Mir wurde klar, dass ich Ethan küssen wollte. Der Gedanke, dass Nat der letzte Junge war, den ich je geküsst hatte, gefiel mir nicht besonders. Ich wusste, dass es früher oder später dazu kommen würde. Es war nur eine Frage des Timings …
    Wir saßen schon eine Weile da, ohne zu reden (es war eine nette, freundliche Stille, dachte ich mir), als ich schließlich mit meiner Schaukel näher an seine rückte. Ethan drehte sich so, dass unsere Gesichter ganz nah waren. Er sah mich durch die Haarsträhne an, die vor seine Augen fiel. Ich berührte sanft die Narbe über seinen Lippen und fragte ihn, wo er sie herhatte. Er zuckte die

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