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vergissdeinnicht

vergissdeinnicht

Titel: vergissdeinnicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cat Clarke
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Englisch neben mir, und wir waren in den vergangenen Monaten Fast-aber-nicht-ganz-Freundinnen geworden. Sie war hübsch (benutzte aber zu viel Mascara), clever (aber nicht bereit, sich anzustrengen) und biestig wie sonst was (aber nett zu mir, das war also okay). An einem Freitag im Mai fragte mich Tanya, was ich am Wochenende vorhatte. »Alles Mögliche, weißt schon«, war meine besonders eloquente Antwort, weil ich nicht zugeben wollte, dass es wieder auf ein Wochenende vorm Fernseher hinauslief. Es war ungefähr zu der Zeit, in der Mum anfing wegzugehen und der Fernseher mein ständiger Begleiter war – alles war mir recht, um die Stille daran zu hindern, mich zu erdrücken. Aber Tanya wollte davon nichts wissen. »Scheiß auf ›alles Mögliche‹. Warum machst du heut Abend nicht was mit uns?« Bei dem Gedanken, mit Tanya und ihren Freunden auszugehen, hatte ich vor Angst die Hosen voll. Aber ich hörte mich trotzdem ja sagen. Sie erzählte mir von einem Off-Licence in der Nähe des Parks, wo sie jedem, egal wie jung man aussah, Alkohol verkauften. Sie sagte, dass sich alle um acht auf dem Spielplatz treffen würden. Ich hatte keine Ahnung, wer »alle« waren.
    Ich wollte schon kneifen, als ich mich fertigmachte. Es wäre so viel leichter, zu Hause zu bleiben. Ich könnte meine Decke mit runternehmen, mich auf dem Sofa zusammenrollen und eine Pizza bestellen. Aber das tat ich nicht. Ich zog mir einen kurzen Rock und ein hübsches schwarzes Oberteil an, das ich noch nie getragen hatte. Ich stieg in meine Stiefel und checkte mein Make-up. Mein Gesicht sah anders aus, vielleicht, weil ich ein bisschen mit dem Kajal übertrieben hatte. Ich fühlte mich auch anders. Vielleicht würde das für mich der Anfang von etwas sein. Diese Leute kannten mich nicht, nicht wirklich. Ich konnte anders sein. Ich konnte sein, wer ich wollte.
    Den Fusel zu kaufen war so leicht, wie Tanya gesagt hatte, und es war nicht schwer zu erraten, warum. Die Frau hinter dem Tresen war über hundert Jahre alt und trug die dicksten Brillengläser, die ich je gesehen hatte. Sie fragte mich, ob ich achtzehn war, und (Überraschung!) ich sagte ja. Ich hatte vorher nie viel getrunken, deshalb schien mir Cider eine sichere Sache: Apfelsaft mit etwas Kick.
    Ich näherte mich vorsichtig dem Spielplatz. Ich konnte Gelächter aus der Hütte über dem Klettergerüst hören. Plötzlich wurde eine Flasche aus einem der Fenster geschleudert. Sie segelte über meinen Kopf und zerbarst auf dem Weg hinter mir. Ich wollte schon fast abhauen, aber Tanya steckte genau in dem Moment ihren Kopf raus.
    »Grace! Hi! Komm rauf!« Ich tat, wie mir geheißen.
    In der Hütte war es schrecklich eng. Sieben Leuten waren schon drin: Tanya und zwei ihrer Freundinnen aus der Schule, und vier Jungs, die ich noch nie zuvor gesehen hatte. Ich setzte mich in die Nähe des Eingangs, und Tanya stellte mich allen vor. Ich erkannte Zoë und Kirsty, aber die hatten natürlich keine Ahnung, wer ich war. Die Jungs hatten lächerliche Spitznamen, die ich mir nicht wirklich gut merken konnte. Aber der neben mir hieß Kez, und das konnte ich mir merken. Sein Bein war in dem engen Raum gegen meins gepresst.
    Am Anfang war es unangenehm. Ich konnte die abschätzigen Blicke von Zoë und Kirsty spüren, aber Tanya gab alles, damit ich mich wohl fühlte. In Überschallgeschwindigkeit sprach sie davon, dass ich eine der wenigen coolen Leute in ihrem Englischkurs war, und wenn es mich nicht gäbe, wäre sie schon vor Langeweile gestorben. Sie reichte mir die Flasche, von der sie getrunken hatte, und ich nahm einen großen Schluck. Er brannte in meinem Hals, als er herunterlief. Aber es fühlte sich gut an. Ich fühlte mich dadurch irgendwie stark.
    Sie hatten alle schon einen gewissen Vorsprung beim Trinken, also tat ich mein Bestes, um aufzuholen. Ich öffnete meinen Cider und reichte ihn rum. Während die anderen scherzten und lachten, hörte ich die meiste Zeit zu. Einer der Jungs war eindeutig ein großmäuliger Witzbold, und die anderen (besonders Kirsty) fanden ihn zum Totlachen. Mich überzeugte er nicht. Nach einer Weile war klar, dass sich die Mädchen kein bisschen daran störten, dass ich da war. Sie waren zu hundert Prozent auf die Jungs konzentriert. Das war mir ganz recht.
    Später kapierte ich langsam, warum mich Tanya eingeladen hatte: Ich sollte das Zahlenverhältnis ausgleichen. Ich kam mir dumm vor, weil ich es nicht gleich verstanden hatte. Kristy stand auf Großmaul, Zoë

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