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vergissdeinnicht

vergissdeinnicht

Titel: vergissdeinnicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cat Clarke
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spuckte. Und er würde auch gar nicht so lange weg sein. Ich musste nur etwas finden, um den Tag rumzubringen – das war alles. Kein großes Ding.
    Ich schlang etwas Müsli runter und knallte mich für ein paar Stunden vor den Fernseher, wo ich durch Trilliarden Programme zappte und immer versuchte, der Werbung zu entkommen, um keinen einzigen Spot sehen zu müssen. Dann ging ich wieder nach oben und sortierte meine Nagellacke. Diejenigen, die zu verkrustet waren, um noch Worte dafür zu finden, warf ich weg. Es dauerte insgesamt fünf Minuten, aber ich sortierte sie noch nach Farbe, was ich seltsam befriedigend fand. Dann lud ich ein paar Songs auf meinen iPod. Dann hörte ich sie mir an und fragte mich, wozu das Ganze.
    Dann gab es nichts mehr zu tun.
    An diesem endlosen Samstagnachmittag, als die Uhr sich hartnäckig weigerte, so schnell vorzulaufen, wie ich es gerne hätte, machte ich etwas Unerklärliches. Ich ritzte mich.
    * * *
    Ethan und ich haben heute nicht miteinander gesprochen. Keine echte Überraschung. Er war ein paarmal hier drin, aber es ist immer dasselbe: Er schaut mich an. Ich schau ihn an. Er schaut weg. Der Schnitt über seinem Mund sieht schlimm aus, und die Haut drum herum ist geschwollen und hat einen Gelbstich. Ich kann kaum glauben, dass ich das war. Es tut mir echt leid, aber jedes Mal, wenn ich meinen Mund aufgemacht habe, um mich zu entschuldigen, hielt mich etwas davon ab. Man kann mich nicht so lange einsperren und dann erwarten, dass ich nicht durchdrehe. Er hat sich das selbst zuzuschreiben. Irgendwie.
    Nach jedem Besuch von Ethan hörte ich genau hin, ob seine Stimme wieder in meinem Kopf war. War sie nicht. Dann kapierte ich, was ich für ein Dummkopf war, und lachte laut.

Tag 26
    Ein weiterer Tag bricht an, oder vielleicht auch nicht. Was mich betrifft, hat die Sonne aufgehört zu scheinen, und die Welt hat aufgehört zu existieren. Vielleicht sind Ethan und ich die Einzigen, die noch leben. Kein wirklich tröstlicher Gedanke. Aber falls wir wirklich die Einzigen sind, die noch leben, dann muss ich wohl irgendwann wieder mit ihm reden. Ich könnte genauso gut heute damit anfangen, wenn ich nicht vor Einsamkeit sterben will. Außerdem könnte es an uns hängenbleiben, den Planeten wieder zu bevölkern. Oder so was.
    Wann immer ich allein bin, kommen die Zweifel. So ist es schon seit Jahren. Solange Leute um mich herum sind, kann ich so tun, als wäre alles okay. Aber ich brauche ein Publikum, dem ich etwas vorspielen kann. Anders funktioniert es nicht. Alleine kann ich mir so leicht nichts vormachen.
    Mir macht es nichts aus, alleine zu sein, nicht wirklich. Ich kann mich mit albernen Hirngespinsten und Tagträumen stundenlang ablenken, aber am Ende holt mich doch wieder alles ein. Das bleibt für mich übrig: nur ich. Und das macht mir mehr Angst als alles andere. Ich. Die Gedanken, die ich versuche, durch das Ritzen zu reinigen. Die Erinnerungen, die lauter und greller zu werden scheinen, je angestrengter ich versuche, sie zu vergessen. Die Warums und Was-wenns. Und immer kauert dieser Gedanke irgendwo im Hintergrund, der darauf wartet, mich umzunieten, wann immer alles endlich mal okay zu laufen scheint. Dieser Gedanke, dieses Wissen, das mir das Herz bricht: Mein Vater würde sich für den Menschen schämen, zu dem ich geworden bin.
    Manchmal war ich wirklich froh, dass er tot war, weil ich sein Gesicht nicht sehen musste, wenn ich sturzbesoffen nach Hause stolperte, mit unordentlichen Klamotten und rot-rauem Mundvom Irgendwenküssen. Ihr war das immer egal. Sie blieb nie wach und wartete auf mich. Dad hätte das getan, das weiß ich. Er hätte sich Sorgen um mich gemacht und mich angeschrien und mir Hausarrest gegeben und mir gesagt, dass ich diese Typen nicht mehr sehen dürfte. Und ich hätte geheult und meine Zimmertür zugeknallt und darum gebettelt, wieder ausgehen zu dürfen. Aber in mir drin hätte es anders ausgesehen. Innerlich hätte ich mich heimlich gefreut, da wäre es tröstlich gewesen zu wissen, dass sich jemand um mich sorgte. Ich wäre nicht jedes Wochenende weggegangen. Manchmal wäre ich zu Hause geblieben, um mit ihm fernzusehen, sogar diese beschissenen Sitcoms, die er so sehr liebte. Sie wäre auch da, aber das wäre uns egal. Es wäre anders. Alles wäre so anders. Ich wäre an dem Tag nicht mit einer Flasche Cider in den Park gegangen. Da begann alles – da begann ich.
    Ich war vierzehn und hatte keine Ahnung. Es lag alles nur an Tanya. Sie saß in

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