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vergissdeinnicht

vergissdeinnicht

Titel: vergissdeinnicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cat Clarke
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knutschte längst mit dem Unauffälligen in der Ecke, und Tanya war deutlich an dem Bestaussehenden der Gruppe interessiert. Ich war da für Kez. Das war meine Aufgabe. Aber ich war schon irgendwie betrunken, und es störte mich kein bisschen. Ich drehte mich zu Kez und versuchte, ihn unvoreingenommen anzusehen, aber es verschwamm schon alles ein wenig. Sein Haar war blondiert und mit einer Menge klebrigem Zeugs gestylt. Der Haaransatz wuchs dunkel nach. Er hatte ein nettes Gesicht, aber eine fiese Akne auf dem Kinn. Leuchtend weiße Zähne traten in der Dunkelheit der Hütte hervor. Er schien recht klein zu sein, aber man konnte es schlecht sagen, da wir alle ziemlich zusammengequetscht waren. Erst jetzt bemerkte ich, wie er mich die ganze Zeit angesehen hatte – irgendwie anzüglich. Ichwar das Lamm auf dem Weg zum Schlachter, und ich hatte es nicht mal bemerkt. Die zu opfernde Jungfrau.
    Einer nach dem anderen, oder vielmehr paarweise, verschwanden sie. Man musste kein Genie sein, um zu ahnen, was sie vorhatten. Und dann waren da nur noch wir zwei.
    Kez legte seine Hand auf meinen Oberschenkel und sagte: »Also, wie kommt’s, dass ich dich vorher noch nie gesehen hab?« Ich drehte mich zu ihm, und seine Hand kroch höher. Statt ihm zu antworten, küsste ich ihn, weil es das war, was er erwartete. Ich hatte zuvor schon ein paar Jungs geküsst – Jungs, mit denen ich ein oder zwei Wochen zusammen gewesen war –, aber das hier war anders. Kez schmeckte wie Bier und Orangen und Moschus und erwachsen. Ihn zu küssen war komisch. Es fühlte sich an, als wollte er mich aufessen, als könnte er nicht genug kriegen. Nicht wirklich unangenehm, aber es dauerte ein bisschen, bis ich mich dran gewöhnt hatte.
    Nicht lange, und ich lag auf dem Boden und Kez auf mir. Wie war das passiert? Es war mir ziemlich egal. Kez küsste und berührte und rieb mich und es war … na ja, schön. Er atmete heftig und fing an, ein bisschen zu stöhnen, als er sich an mir rieb. Ich wusste ganz genau, was passieren würde – wenn ich ihn nicht aufhielt. Ich hielt ihn nicht auf. Ich glaube, er erwartete, dass ich ihn aufhielt.
    Ich weiß noch, dass ich etwas dachte in der Art … Das ist es also? Das ist es wirklich. Ich habe tatsächlich Sex. Huh. Ja, es fühlte sich komisch an, jemandem so nah zu sein, mit dem ich kaum zwei Worte gewechselt hatte. Aber es war auch seltsam angenehm – dieser fremde, verschwitzte Junge, der mich so sehr wollte. Für diese paar wenigen Minuten kam es mir vor, als bräuchte er mich. Und ich brauchte ihn. Er schien auch so dankbar zu sein. Es dauerte nicht lange. Damals fragte ich mich, ob er sich so beeilt hatte, falls ich es mir anders überlegte. Natürlich weiß ich es jetzt besser. Und natürlich hatte es etwas wehgetan, aber es war ein guter Schmerz – ein Ehrenabzeichen.
    Danach sprachen wir kaum. Ich richtete meine Kleidung, und Kez kramte in einer Plastiktüte nach einer Bierdose. Er trank gierig, und danach wischte er sich mit dem Handrücken über den Mund. Er betrachtete mich still. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Wir hatten keine Gemeinsamkeiten und würden wohl auch nie welche haben. Mit einem Mal wollte ich nach Hause gehen und mich in mein Bett kuscheln – ganz allein, so wie es sein sollte.
    Bevor ich gehen konnte, kam Kez näher. Er legte seine Hand auf meine Hüfte und küsste mich ganz sanft. Und alles fühlte sich wieder gut an, bis er mir ins Ohr flüsterte: »Tanya hat gesagt, du wärst noch nicht so weit. Aber ich hab es gleich gewusst, als ich dich gesehen hab.« Ich riss mich los und fragte ihn, was er meinte.
    »Ich hab gewusst, dass du es wolltest. Ich hab es gleich gesehen.«
    Ich fühlte, wie ich rot wurde. »Wie? Woher hast du das gewusst?«
    »Weiß nich. Nur so ein Gefühl, weißt du? Bei manchen Mädchen weiß man es einfach. Schau mich nicht so an! Es ist gut, wenn man weiß, was man will. Nicht wie diese Mädchen, die einen scharf machen, bis du explodieren könntest, und dann überlegen sie es sich anders. Das würdest du nicht tun, oder?« Er fing wieder an mich zu küssen, und ich hielt ihn nicht auf. Ich glaube nicht, dass er mich mit dem, was er sagte, verletzen wollte. Vielmehr war das Gegenteil der Fall: Ich hatte sehr wohl den Eindruck, dass er versuchte, mir ein Kompliment zu machen.
    Also war ich eins von diesen Mädchen. Es war offiziell. Und wenn ich vorher noch keins gewesen war, dann war ich es ganz sicher jetzt. Für mich gab es kein Zurück mehr.
    *

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