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vergissdeinnicht

vergissdeinnicht

Titel: vergissdeinnicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cat Clarke
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* *
    Ich hab mit Ethan gesprochen. Ihn gefragt, ob ihm der Mund wehtut. Einen Moment lang sah er verwirrt aus, und dann legte er seine Finger auf die Wunde, wie um sich daran zu erinnern, dass sie dort war.
    »Nein, es tut überhaupt nicht weh.«
    »Gut. Hör zu, Ethan, es tut mir leid. Es hätte nicht passieren dürfen. Ich weiß auch nicht, was ich mir dabei gedacht habe. Also, ich meine, ganz offensichtlich habe ich gar nicht gedacht. Ich lauf normalerweise nicht rum und schlage wahllos Leute, weißt du. Ich hab nur … es ist so schwierig für mich, hier zu sein. Ich hab viel zu viel Zeit zum Nachdenken. Jedenfalls tut’s mir leid.«
    »Es ist nicht schlimm, Grace.«
    »Natürlich ist es das! Ich hab dich angegriffen! Ich verliere ganz offensichtlich den Verstand hier drin.«
    Ethan schüttelte den Kopf. »Du liegst falsch.«
    Und es geht wieder los, dachte ich. Ich hatte keine Energie, mich mit ihm im Kreis zu drehen. »Ich bin es satt nachzudenken. Und ich bin es satt, alles aufzuschreiben. Warum die Mühe? Niemand wird es lesen.«
    Ethan lehnte sich an die Tür. »Hast du es gelesen, Grace?«
    »Äh … nein. Muss ich auch nicht – ich weiß, was da steht.«
    Ethan zuckte die Schultern und hob die Augenbrauen. Es war klar, was das zu bedeuten hatte: Das denkst du .
    Ich drehte den Stapel mit den bekritzelten Seiten neben mir um. Es konnte ja nichts schaden, oder? Ich fing an zu lesen, und bald schon vergaß ich sogar, dass Ethan da war. Ich weiß nicht, wie lange ich brauchte, aber schließlich kam ich bei der letzten Seite an, über den Abend im Park mit Kez. Ich seufzte und sah auf. Ethan stand nicht mehr an der Tür. Er saß auf dem Bett und hatte die Beine übereinandergeschlagen.
    »Und?« Er sah mich erwartungsvoll an.
    »Und was?«
    »Wie geht es dir damit?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Grace …« Er klang wie ein Lehrer, dessen Lieblingsschüler die falsche Antwort gibt.
    »Traurig. Ich bin traurig, okay? Mein Leben ist ein beschissenes Chaos, und ich hab alles versaut, und ich bin ein schlechter Mensch. Jetzt glücklich?«
    »Ich bin nicht glücklich, weil es dir schlecht geht. Warum sollte ich?«
    »Warum sonst tust du mir das denn an? Es muss dir doch irgendeinen Kick geben.«
    Was Ethan dann sagte, kam unerwartet. »Du vermisst deinen Vater, richtig?«
    »Dad? Was hat der denn damit zu tun?«, sagte ich vorsichtig.
    »Wie war er?«
    Ich beschloss mitzuspielen. »Er war … einfach Dad. Ein typischer Vater, weißt du?«
    »Erzähl mir davon.«
    Ich spielte mit – es konnte doch nichts schaden? »Also, er war immer total peinlich. Er hat das absichtlich gemacht. Zum Beispiel im Supermarkt, da fing er einfach so an, einen Affen nachzumachen. Und je peinlicher es mir war, desto lauter und peinlicher wurde er. Ihm war es egal, wer zusah – was andere Leute denken, hat ihn nie interessiert. Anders als ich – ich sah mich immer um und hatte Angst, jemand von der Schule könnte mich sehen. Als ich jünger war, war es okay. Dann hab ich mitgemacht und wir hatten einen Riesenspaß.
    Er konnte gut mit Leuten umgehen. Jeder liebte ihn und lachte über seine dummen Witze. Er war der Einzige, der Mum zum Lachen bringen konnte. Sie lacht nie über Sachen im Fernsehen, auch nicht, wenn sie wirklich witzig sind. Aber Dad konnte sie schon zum Lachen bringen, wenn er nur mit seinen Augenbrauen wackelte.«
    Ich hörte auf zu reden, weil mir plötzlich auffiel, dass ich seit Jahren nicht mehr so viel über meinen Vater gesprochen hatte. Sogar Sal gegenüber war ich immer nur vage gewesen und hatte behauptet, ich könnte mich nicht mehr richtig an ihn erinnern. Sie hinterfragte nie, wie schreiend lächerlich das war, und dafür war ich dankbar.
    »Hört sich an, als hättest du ihn sehr geliebt.«
    »Er war mein Dad – natürlich hab ich ihn geliebt.«
    »Das ist gut, Grace. Du machst das wirklich gut.«
    Ich zuckte die Schultern, weil ich nicht genau wusste, was das sollte.
    Ich erzählte Ethan von Dads fürchterlichen Kochkünsten und wie er immer verrückte Speisen erfand, indem er ein paar Reste in die Pfanne warf und Worcestershiresauce dazugoss. Ich erzählte ihm, wie ich mit Dad im Kino war und Hotdogs und Nachos und die größte Tüte Popcorn, die man je gesehen hatte, aß (und auf dem Heimweg das Auto vollkotzte). Ich erzählte ihm Sachen, von denen ich dachte, ich hätte sie vergessen. Dinge, an die ich jahrelang schon nicht mehr gedacht hatte. Alberne, belanglose Sachen. Aber es tat gut, sie laut

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