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vergissdeinnicht

vergissdeinnicht

Titel: vergissdeinnicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cat Clarke
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    Ethans Haut fühlt sich kalt und klamm an. Sie sieht auch blasser aus, fast schon mit einem Blaustich. Das kann nicht gut sein. Letzte Nacht legte ich mich neben ihn und zog die Decke über uns beide. Ich legte meine Hand auf seine Brust, damit ich fühlen konnte, wie sie sich hebt und senkt, hebt und senkt, und versuchte mir einzureden, dass alles okay sein würde, solange sie genau das tat.
    Heute Morgen bin ich mit meinem Kopf dort aufgewacht, wo meine Hand gestern Nacht gelegen hat. Sein Atem hat sich nicht verändert. Ich bin aufgestanden und habe mich gedehnt. Ich fühle mich … also, ich fühle mich gut. Stark und lebendig. Ich habe seit zwei Tagen nichts gegessen, aber ich habe keinen Hunger. Nicht mal ein bisschen. Das kann nicht normal sein.
    * * *
    Ich weiß, was ich tun muss. Ich war mir noch nie einer Sache so sicher.
    Ich muss zu Ende bringen, was ich angefangen habe.
    Ich hoffe nur, dass dafür noch Zeit ist.
    * * *
    Sal hielt ihr Wort. Sie rief gegen Mittag an und sagte mir, sie hätte meine Nachricht erst heute Morgen bekommen – irgendwas von wegen, sie hätte das Handy ausgeschaltet, weil sie so müde gewesen sei. Unsere Stimmen überschlugen sich, als wir versuchten, uns gegenseitig um Entschuldigung zu bitten. Ich versprach ihr, mich nicht mehr zu ritzen. Ich saß da und sah michim Spiegel – beobachtete mich dabei, wie ich sie anlog. Sal war aufgebracht, sie weinte irgendwann sogar. Sie bestand darauf, dass sie diejenige war, die sich entschuldigen musste. Es war komisch, aber ich nahm an, dass es die Hormone waren.
    Nat ging die ersten paar Male, die ich es versuchte, nicht ans Telefon. Ich hinterließ keine Nachricht. Ich schaute mir irgendeinen Scheiß auf MTV an und versuchte, mich so gut wie möglich auf die Herausforderungen und Beschwernisse von ein paar Blondinen zu konzentrieren, die man nicht auseinanderhalten konnte: Heidi/Lauren/Bla/Sonst wer.
    Nach einer Stunde atmete ich tief durch und versuchte es noch mal bei Nat. Einmal klingeln, zwei, drei, vier, fünf, und dann ging er ran. Ich konnte nicht viel an seinem »Hallo« erkennen, außer, dass er etwas außer Atem schien.
    »Hi, ich bin’s.« Plötzlich wusste ich nicht mehr, was ich sagen sollte.
    »Hi du.«
    Ich schöpfte Mut, weil er nicht gleich aufgelegt hatte. »Können wir uns treffen? Ich muss echt mit dir reden.« Irgendwie schaffte ich es, nicht zu betteln.
    »Grace, ich … Okay. Wo wollen wir uns treffen?«
    JA! Es gab noch eine Chance, wie klein sie auch sein mochte. Wir verabredeten uns in einem Pub um die Ecke von dort, wo er arbeitete. Ich hatte es mir aus drei Gründen ausgesucht: Es bestand keine Gefahr, jemanden zu treffen, den wir kannten. Es würde um diese Uhrzeit praktisch leer sein. Und es gab Alkohol.
    Ich war früh dran und bestellte Wodka mit Cola, um meine Nerven zu beruhigen. Ich versuchte, meinen Drink auf eine lässige Ja-ich-trinke-gerne-allein-mitten-am-Nachmittag-Art zu schlürfen. Der Barkeeper schaute ab und zu rüber. Das war irgendwie nervig. Ich kaute die Eiswürfel kaputt. Meine Zähne kribbelten von der Kälte. Ich schaute immer wieder auf mein Handy, um die Uhrzeit zu checken. Nat war spät – was nichtsNeues war. Plötzlich kam mir der Gedanke, dass er vielleicht gar nicht kommen würde. Was, wenn er es sich anders überlegt hatte?
    Nein. Das würde er mir nicht antun. Er war anders als alle anderen. Und genau deshalb liebte ich ihn.
    Aber es sprach doch einiges für die Einfachheit einer Beziehung, die einem nichts bedeutete. Es war sehr viel unwahrscheinlicher, dass man verletzt wurde. Man wanderte einfach zum nächsten, die Erinnerungen verschwanden schon, bevor man sich noch seinen Geruch abgeduscht hatte. Teilnahmslosigkeit ist der Schlüssel. Und was war schon dabei, wenn diese Teilnahmslosigkeit die »Beziehung« (wenn man es so überhaupt nennen wollte) von Anfang an zum Scheitern verurteilte? Schulterzucken, weil man es sowieso nicht besser wusste – weil es alles war, was man kannte. Alles, wofür man zu gebrauchen war.
    Ich schüttelte mich und sah wieder auf die Uhr. Gott, ich konnte nur hoffen, dass Nat bald auftauchte. Diese Gedanken halfen auch nicht gerade. Ich kippte den Rest von meinem Drink runter und ging schnell zur Bar, um noch einen zu bestellen. Ich wollte nicht, dass Nat sah, dass es schon mein zweiter war. Ich setzte mich wieder hin und behielt weiter die Tür im Auge.
    Draußen hatte es angefangen zu regnen. Die Leute rannten vorbei und hatten die

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