vergissdeinnicht
Schultern gegen das Wetter hochgezogen. Zwei Typen in Anzügen eilten vorüber und versuchten vergeblich, ihre teuren Haarschnitte mit Zeitungen zu schützen. Die Tür ging auf, und ein alter Mann in einem Tweedanzug schlenderte herein. Zu seinen Füßen hatte er einen kleinen, verlotterten Hund. Er ließ seinen riesigen, regenbogenfarbenen Schirm neben der Tür. Der Hund schüttelte sich kräftig, und Wasser flog überall hin. Es war süß – wenn man auf so was stand.
Ich war so von dem Hund abgelenkt, dass ich Nat gar nicht bemerkte, bis er schon auf halbem Weg zu mir war. Ich winkte ihm ein bisschen zu und kam mir im selben Moment blöd vor. Er nickte, sah, dass ich schon was zu trinken hatte, und schwenkte zur Bar um. Ich beobachtete ihn, wie er sein Pint bestellte undsein feuchtes Haar zurückstrich, dann trommelte er nervös mit den Fingern auf der Bar herum. Er hatte ein Guinness bestellt, was Eeeeewigkeiten brauchte. Ich wollte nur mit ihm sprechen, ihm in die Augen sehen und eine Ahnung bekommen, wie es weitergehen würde.
Und dann saß er vor mir und sah unglaublich aus.
»Hey.« Schon mal ein guter Anfang von mir, dachte ich.
»Hey.« Direkt zurück. Augenkontakt. Mein Herz tut weh.
»Also …« Ich wusste nicht, wo ich anfangen sollte. Ich hätte mir wirklich zurechtlegen sollen, was ich sagen wollte, aber dann wäre ich vielleicht unglaubwürdig rübergekommen. Nat sagte nichts und trank von seinem Pint.
Ich versuchte es noch mal. »Es tut mir leid. Es tut mir so wahnsinnig schrecklich leid.«
Er nickte, sagte aber immer noch nichts.
»Nat, ich hasse mich dafür, wie ich mich benommen habe. Es gibt keine Entschuldigung. Ich werde viel zu leicht wütend – schon immer. Frag Sal.« Innerlich trat ich mir in den Hintern, weil ich sie erwähnt hatte. »Meinst du … vielleicht können wir das hinter uns lassen?«
Er sah mich ein paar Sekunden lang an. Seine Augen schienen blauer als jemals zuvor, und ich hätte deshalb am liebsten losgeheult. »Grace, ich weiß nicht …«
Etwas in seinem Tonfall machte mir Angst. Er klang teilnahmslos, und irgendwie endgültig. Also unterbrach ich ihn. »Ich kann dich nicht verlieren. Nicht jetzt.« Ich fühlte, dass ich kurz davor war zu heulen, also trank ich noch einen Schluck Wodka, um die Tränen zurückzuhalten.
Nat schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass es funktioniert.« Er starrte in sein Guinness, als lägen alle Antworten darin. Eine flüssige Glaskugel.
»Es kann funktionieren. Es funktioniert . Also, bis letzte Nacht. Und ich habe mich entschuldigt. Ich liebe dich. Du weißt das, oder?« Die Verzweiflung in meiner Stimme schmerzte.
Er nickte irgendwie widerwillig. »Aber vielleicht wäre es besser für uns beide, wenn wir einfach …« Er sah mich nicht an.
»Wenn wir einfach was?« Auch, wenn ich ganz genau wusste, was er versuchte zu sagen.
»Wenn wir einfach … Schluss machen.« Er sah mich verlegen an, um meine Reaktion einzuschätzen.
Ich holte tief Luft und versuchte, mich ganz besonders stark auf das Logo von Nats T-Shirt zu konzentrieren – nur um die Tränen aufzuhalten. Zwischen uns breitete sich Stille aus. Eine Träne entwischte und tröpfelte über mein Gesicht. Sie kitzelte besonders lästig an der Wange, aber ich tat nichts, um sie aufzuhalten. Sie tropfte vor mir auf den Tisch. Dumme, ungezogene Träne.
»Grace, bitte nicht weinen.«
»Ich weine nicht!« Ja, klar. »Ich verstehe nicht, warum du das sagst. Ich liebe dich, und ich dachte … also, du hast gesagt, dass du mich liebst. Hast du es überhaupt so gemeint?«
»Das ist nicht so einfach.« Wieder dieser verlegene Blick.
»Ich denke doch. Ich will dich wegen dieser Sache nicht verlieren. Alles lief gut. Ich meine, so war’s doch, oder?« Er nickte, was mir das winzige bisschen Mut gab, das ich brauchte, um weiterzumachen. »Bitte gib mir noch eine Chance. Gib uns noch eine Chance.«
Er schüttelte wieder den Kopf, also zeigte ich ihm das volle Ausmaß meiner Verzweiflung. »Ich brauche dich. Ich weiß nicht, wie ich ohne dich zurechtkommen soll …« Es stimmte, aber es zu sagen, fühlte sich falsch an – irgendwie wie betrügen.
Nat griff nach meiner Hand. »Schsch, sag das nicht. Du bist ohne mich besser dran.« Seine Stimme war leise, und er sah bekümmert aus.
»Wie kann ich denn bitte schön ohne dich besser dran sein? Ich lauf nicht einfach so rum und erzähl irgendwelchen Typen, dass ich sie liebe, weißt du. Ich habe so etwas noch nie für
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