vergissdeinnicht
war komisch. Sie benahm sich superhöflich und achtete darauf, dass ich immer genug zu trinken hatte, und wollte ich noch mehr Salat? Irgendwas zum Nachtisch vielleicht? Es war sehr merkwürdig. Normalerweise lief es eher nach dem Motto »Hol’s dir selbst«, wenn wir uns gegenseitig besuchten, aber sie führte sich auf, als wäre ich noch nie vorher bei ihr gewesen.
Ich ging davon aus, dass sie sich wegen der ganzen Sache unwohl fühlte. Ich dachte, wir hätten am Tag davor den ganzen Mist am Telefon abgehakt. Ich war kurz davor etwas zu sagen, damit sie sich entspannen konnte, aber ich wollte nicht wieder mit dem Thema anfangen. Stattdessen gab ich alles, um mich total normal zu benehmen. Ich hoffte, ihr dadurch die Sicherheit zu geben, dass alles zwischen uns okay war.
Nach dem Mittagessen gingen wir in ihr Zimmer. Wir hingen auf dem Bett rum, während Sal ihren iPod an ihre Stereoanlage anschloss. Wir hörten Musik und sprachen über nichts Besonderes. Es war nett, nur so mit ihr abzuhängen, und nach einer Weile schien sie sich zu entspannen – als ob ihr plötzlich eingefallen wäre, dass wir beste Freundinnen waren und sie sich vielleicht in meiner Gegenwart doch ganz gut fühlen konnte.
Mein Handy klingelte, und ich schrak auf. Wie hatte ich vergessen können, dass ich auf Nats Anruf wartete? Ich hatte in der Nacht davor kaum geschlafen, weil ich überlegt hatte, wie ich am besten vorgehen würde. Ich wollte nur, dass alles so schnell wie möglich wieder zur Normalität zurückkehrte. Ich wollte, dass dieses »Problemchen« (ich hatte beschlossen, dass es nur so etwas war) eine vage Erinnerung war, etwas, an das sich Nat und ich vielleicht in ein paar Jahren erinnern würden, um darüber zu lachen, wie dämlich wir waren. Das wollte ich mehr als alles andere. Aber nichts davon konnte auch nur anfangen, bis ich wenigstens etwas Zeit mit ihm verbracht hatte. Ich wollte ihn so verzweifelt sehen, dass ich in meinem Eifer, seine Stimme hören zu wollen, fast den falschen Knopf auf meinem Telefon gedrückt hätte.
Aber es war eine einzige Enttäuschung. Es war Mum, verdammt. Warum zur Hölle rief sie mich an? Vielleicht hatte sie bemerkt, dass ich eine ihrer besten Pfannen geschrottet hatte. Vielleicht hatte sie beschlossen, etwas Großes zu kochen, um ihre Heimkehr zu feiern? Unwahrscheinlich. Dann fiel mir auf, dass sie von ihrem Handy aus anrief.
»Grace, Liebes, ich bin’s.«
»Hi.«
»Hör mal, es tut mir leid, aber ich bleibe noch ein paar Tage. Du wirst nie drauf kommen, wen ich gestern zufällig getroffen habe! Onkel Mick … du erinnerst dich doch noch an ihn, oder? Natürlich! Der Freund von deinem Vater? Also, er hat hier ein Apartment – ein Penthouse sogar – und er sagte, er fände es großartig, wenn ich noch ein paar Tage bei ihm bleiben könnte. Damit wir uns ausführlich auf den neuesten Stand bringen können. Ich hoffe, das ist okay? Ich hab ihn so lange nicht mehr gesehen – wir haben so viel zu bereden! Jedenfalls, in der Kühltruhe ist massenhaft zu essen, und wenn du noch was brauchst, in der Pinguin-Dose ist Geld.«
Ich kam kaum zu Wort. Meine Mutter plapperte wie noch nie zuvor. Es tat weh. Mein Beitrag zu der Unterhaltung bestand ausWorten wie »Ja« und »Gut«. Trotzdem schaffte ich es, eine Frage nach Onkel Micks Frau reinzuquetschen. Seltsamerweise schien sich Mum mit diesem Thema nicht besonders wohl zu fühlen. Dreckige Scheidung offenbar, erst kürzlich.
Und dann konnte sie nicht schnell genug auflegen, was mir nur recht war. Ich war froh, das Haus noch eine Weile länger für mich zu haben, besonders, da die Operation: Wieder zur Normalität mit Nat finden gerade anlief.
Sal hatte das Wesentliche der Unterhaltung so ziemlich mitbekommen, da sie meinen Teil mitgehört hatte, aber ich erzählte ihr noch den Rest.
Sie verdrehte die Augen. »Deine Mutter ist lächerlich! Ich will echt nicht irgendwie unhöflich sein, aber ich habe keine Ahnung, wie du es manchmal mit ihr aushältst.«
»Wie meinst du das?«
»Na ja, nervt dich das nicht, dass sie die ganze Zeit weg ist?«
»Machst du Witze? Ich liebe es, wenn sie weg ist. Es ist die einzige Zeit, in der ich ein bisschen Ruhe habe.«
»Na, wenn du meinst …« Sie schien mir das nicht abzunehmen, aber sie sollte es eigentlich besser wissen. Ich hatte nie wirklich ein Geheimnis aus meinen Gefühlen für die Frau gemacht, die mich geboren hatte.
»Glaub mir – dir würde es ganz genauso gehen, wenn du so eine Mutter
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