vergissdeinnicht
Und so langweilig. Meinst du nicht, das ist ein bisschen zu casual?«
»Nein. Wir gehen in einen richtigen Studentenclub, schon vergessen? Casual ist das einzig Wahre.« Sie wühlte sich durch die Schublade von meinem Schminktisch und zog eine lila Kette raus, die sie mir vor ein paar Monaten geschenkt hatte. »Hier, probier die dazu.«
Natürlich hatte sie recht – wie immer.
»Gott sei Dank bist du hier. Du bist ein echter Lebensretter!«, sagte ich, während ich versuchte, die Kette im Spiegel zuzumachen.
»Lass mich mal.«
Ich betrachtete sie im Spiegel, während sie sich darauf konzentrierte, die Kette zu schließen. Sie trug sehr viel weniger Make-up als ich, und ihr Haar war zu einem einfachen Pferdeschwanz gebunden, wodurch sie jung und irgendwie unschuldig aussah. Ich machte mir etwas Sorgen, dass man sie nach ihrem Ausweis fragen würde, aber ich wusste, dass es nichts brachte, jetzt etwas zu ihr zu sagen. Sie trug auch Jeans und ein schwarzes Oberteil, aber wir hätten nicht unterschiedlicher aussehen können.
Nat lehnte am Geländer, als wir am Bahnhof ankamen. Diese »Pünktlich sein«-Sache wurde wohl zur Gewohnheit. Er sah uns kommen und machte eine Riesenshow draus, auf die Uhr zu schauen.
»Wie viel Uhr würdet ihr das nennen?!«
»Ja, ja, Sal ist schuld. Sie ist fast so unfähig, pünktlich zu sein, wie du es bist … also, warst.« Ich küsste ihn.
Nat sagte Hallo zu Sal, und sie umarmten sich umständlich. Ich war froh, dass sie sich nicht die Hände schüttelten oder sonst was Verkrampftes taten. Der Zug fuhr gerade ein, also rannten wir über die Brücke und erreichten ihn gerade noch so. Sal saß mir und Nat gegenüber, und wir öffneten ein paar Bierdosen, dieNat mitgebracht hatte. Wir quatschten über alles Mögliche, und die Unterhaltung lief problemlos, ohne dass ich mich besonders anstrengen musste. Ich freute mich, dass die beiden sich miteinander wohlzufühlen schienen, obwohl sie erst so gar keine Lust auf diesen Abend gehabt hatten.
»Mir gefällt deine Kette, Grace. Ist die neu?«
Ich strahlte Nat an, und dann Sal. »Nein, ich hab sie schon eine Weile. Sal hat sie mir gekauft – sie hat einen unfehlbaren Geschmack, oder?«
Nat nickte vage und wollte gerade etwas sagen, als sich Sal zu Wort meldete und das Thema wechselte. »Grace hat mir erzählt, dass eine Freundin von dir in dem Laden, in den wir gehen, hinter der Bar arbeitet. Ist sie heute auch da?«
Nat nickte und trank von seinem Bier. »Ja, Anna wird wohl arbeiten. Wenn wir Glück haben, bekommen wir ein paar Freigetränke.«
»Und, wie ist Anna so? Ist sie in deinem Jahr?« Ich wollte wissen, was mich erwartete.
Nat zuckte die Schultern. »Ja. Unglaublich clever – sie hat mir letztes Jahr sehr mit Anatomie geholfen.«
»Anatomie?« Ich konnte nicht anders, ich musste kichern.
»Grace … wie alt bist du?«, schimpfte er.
»Sorry. Und … hat sie einen Freund?«
Nat schüttelte den Kopf. »Nein, vor den Ferien war sie kurz mit jemandem zusammen, aber ich glaube, sie hat Schluss gemacht. Anna hält nicht viel von Beziehungen – sie findet, dass sie Zeitverschwendung sind.« Hmm, das gefällt mir überhaupt nicht. Ehrlich gesagt hörte sie sich verdächtig nach meinem Alten Ich an.
»Ist sie hübsch?« Ich konnte nicht anders. Ich schielte zu Sal rüber, um ihren Blick einzufangen, aber sie starrte aus dem Fenster.
»Ja, ich denke schon. Meine Kumpels finden das jedenfalls.« Nat hatte eindeutig nicht sein Wie-ich-ein-perfekter-Freund-bin-Handbuch gelesen. Natürlich lautete die Antwort, auf die ich aus war, ungefähr so: »Ich habe keine Ahnung. Jede Frau verblasst zur Bedeutungslosigkeit, seit ich mit dir zusammen bin.«
»Ich freu mich drauf, sie kennenzulernen.«
»Sie wird wahrscheinlich viel zu beschäftigt sein, um viel mit uns reden zu können, also nimm das nicht persönlich.«
Auf dem Rest der Fahrt passierte nicht viel. Nat erzählte uns etwas von den Bands, die spielten. Sal tat so, als wäre sie interessiert, obwohl es gar nicht nach ihrer Musik klang. Ich rief mir in Erinnerung, dass die Musik komplett egal war. Heute ging es um sehr viel mehr.
Auf dem Weg vom Bahnhof in den Club fiel mir auf, dass Nat nicht meine Hand hielt, wie er es sonst tat, wenn wir unterwegs waren. Ich fand es sehr süß von ihm, dass er offenbar nicht wollte, dass sich Sal außen vor fühlte. Ich nahm mir vor, nicht zu sehr auf Pärchen zu machen. Ich war mir sicher, dass ich das wenigstens für ein paar Stunden
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