vergissdeinnicht
ich sowieso nicht verstand, zu Tode gelangweilt zu werden. Und es gab mir die Möglichkeit, Sal ausführlich zu informieren und ihr zu erzählen, wie ich Anna so fand. Nach ein paar Minuten bemerkte ich, dass Anna über Nats Schulter schaute, um Sal und mich gründlich zu betrachten. Ich vermutete, dass sich die Unterhaltung nun um deutlich interessantere Dinge drehte – wie mich.
Sal lenkte meine Aufmerksamkeit auf die Bühne, wo die erste Band gerade loslegte. Eine Menge Leute wanderten nach vorne, aber wir einigten uns darauf, zu bleiben, wo wir waren. Als siezu spielen anfingen, sahen Sal und ich uns an und lachten laut los. Sie waren mehr als furchtbar, aber es machte Spaß zuzusehen, und wenn es nur deshalb war, weil der Sänger kein Oberteil trug und einen sehr vorzeigbaren Körper hatte.
Ein wenig später stießen Anna und Nat wieder zu uns.
»Hi, du musst Sal sein.« Anna lächelte breit und streckte Sal ihre Hand hin.
Sal sah sie verwirrt an, schüttelte aber die angebotene Hand. »Ja, äh … hi.«
»Nat hat mir gerade von dir erzählt. Du bist die beste Freundin von Grace?«
Sal nickte.
Anna seufzte wehmütig. »Ich hatte nie eine beste Freundin – eine, mit der ich alles teilen konnte. Ihr zwei habt so ein Glück.« Oh Mann, dieses Mädchen ist eine echte Spinnerin.
Nat hielt Anna sein Handgelenk unter die Nase und zeigte auf seine Uhr. »Wär’s nicht besser, wenn du dich mal wieder an die Arbeit machst?«
Ich staunte über seine Unhöflichkeit, aber ich war auch ganz froh, dass er sie genauso dringend loswerden wollte wie ich.
Anna streckte ihm die Zunge raus, dann sah sie noch mal zu Sal und mir. »Also, es war sehr nett, die beiden Damen kennenzulernen. Ich verstehe absolut, warum Nat mit euch beiden alle Hände voll zu tun hat! Bis später!« Sie bedachte uns mit einem letzten spitzbübischen Grinsen und verschwand in der Menge.
Sal rammte mir ihr Glas in die Hand und sagte, sie müsste dringend aufs Klo. Ich war auch kurz davor zu platzen, aber bevor ich Nat fragen konnte, ob er unsere Gläser hielt, war Sal schon abgehauen. Ich folgte ihr zwei Minuten später, nachdem ich Nat über seine seltsame Freundin ausgequetscht hatte. Er hatte nur die Schultern gezuckt und gesagt: »Das ist eben Anna«, als ob das alles erklären würde.
Sal wusch sich die Hände, als ich sie fand, und starrte mitleerem Blick in den Spiegel. »Besser?« Sie zuckte zusammen, als hätte ich mich angeschlichen.
»Was meinst du?«
»Nur, weil du so dringend aufs Klo musstest, du erinnerst dich?«
»Oh ja. Viel besser.«
»Wartest du auf mich, ja?«
Die Kabine, die ich mir ausgesucht hatte, war ekelhaft, aber die Graffitis halfen dabei, mich abzulenken. Ich war überrascht, dass Leute unter so widrigen Umständen so kreativ sein konnten. Als ich wieder rauskam, fragte ich Sal, was sie von Anna hielt, während ich mir die Hände extragründlich wusch.
»Sie ist schön.«
»Schön komisch, meinst du?« Ich zögerte. »Glaubst du, sie steht auf Nat?«
Sal zuckte die Schultern. »Woher soll ich das wissen?«
»Ich weiß nich. Aber ich wette, es ist so – ich hab gesehen, wie sie ihn ansieht.«
»Warum interessiert dich das überhaupt? Er ist mit dir zusammen.«
»Ich weiß, ich weiß. Es ist nur … sie ist so cool und gepierct und … älter als wir.«
Sal sah mich an, als wäre ich verrückt geworden. »Was hat das denn damit zu tun?«
»Ich weiß nicht! Neben ihr fühl ich mich nur eben wie ein dummes, kleines Schulmädchen. Als gäbe es irgendein Geheimwissen, und ich bin außen vor … weißt du, was ich meine?«
Sal schüttelte den Kopf. »Ich glaube, du interpretierst da zu viel rein. Mach dir keine Gedanken. Und jetzt schieb deinen paranoiden Hintern mal wieder hier raus. Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber so ein paar Kurze wären jetzt genau das Richtige.«
Ich lächelte. »Also, das ist die beste Idee, die ich seit Jahren gehört habe.«
Wir hakten uns beieinander unter und warfen uns wieder indie Schlacht. Das Publikum schien sich in der kurzen Zeit, die wir weg waren, verdoppelt zu haben. Wir brauchten ein paar Minuten, um Nat zu finden, der es geschafft hatte, einen Tisch in einer halbwegs ruhigen Ecke zu finden. Wir kippten die Reste von unseren Getränken runter, und Nat verzog sich an die Bar, um die Kurzen zu holen. Sal und ich hatten kaum damit angefangen, uns wie üblich abgefahrene Lebensgeschichten zu den Leuten auszudenken, die wir beobachteten, als Nat aus der pulsierenden
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