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Vergossene Milch

Vergossene Milch

Titel: Vergossene Milch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chico Buarque
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Brust bevollmächtigte ich die Palumbas, die Villa zu verkaufen. Ich kümmerte mich persönlich um Mamas Umzug, ich saß hinten im Krankenwagen bei ihr und ließ ihre trüben Augen nicht aus den Augen. Sie wurde mit ihrer Pflegerin in einem Seitenzimmer des Chalets einquartiert, wo der Südwestwind sie nicht inkommodieren würde. Doch schon am nächsten Tag hörte sie ganz ohne Aufregung einfach auf zu atmen. Und dabei hatte der Arzt vor und nach dem Umzug ihren Blutdruck gemessen, stabil, wie bei einem jungen Mädchen. Seiner Ansicht nach hatte Mama noch viele Lebensjahre vor sich, wenn auch nur vegetierend. Für den Gärtner der Villa hingegen war Mama wie eine Blume, wenn man sie umtopft, geht sie manchmal ein.

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    Wenn ich nicht mitgehen kann , stelle ich einen Scheck aus, damit Sie sich ein hübsches Kleid kaufen können, sobald das Geld auf meinem Konto eingegangen ist. Sie brauchen keine Angst zu haben, in den Boutiquen von Ipanema kann Sie jede Verkäuferin so gut wie ich beraten. Sie werden lachen, aber zu meiner Zeit gab es keine Boutiquen, da hätten Sie von meinem Geld einen Coupon Stoff in einem Geschäft gekauft, und die Schneiderin hätte nach einem Modell aus einer französischen Illustrierten genäht. Begütertere Frauen machten es wie Mama, die jedes Jahr mit meinem Vater nach Europa reiste und sich von da eine Garderobe für alle vier Jahreszeiten mitbrachte. Das, solange sie noch jung war, denn nachdem sie dreißig geworden war, reiste sie nicht mehr und gab ihm lediglich Bestellungen mit. Doch wer dringend ein exklusives Modell brauchte, konnte zu französischen Madames gehen, die bei sich zu Hause mit frisch aus Haute-Couture-Ateliers importierten Kleidern handelten. Papa war Kunde besagter Damen, und ein paar Tage vor seinem Tod war ich mit ihm bei einer dieser Anschriften. Jetzt, ein knappes Jahr später, war ich wieder da, auf der Suche nach einem Kleid, das Matildes Formen entsprach, ohne meine Mutter zu verletzen. Die Madame zeigte mir einen sandfarbenen Seidentailleur, schlicht, aber knapp über dem Knie, wie zu der Zeit in Paris von Siebzehnjährigen aus gutem Haus getragen. Und obwohl Matilde über das unerwartete Geschenk gerührt war, wollte sie nicht mit mir ausgehen. Und erlaubte auch nicht, Eulalinha in ihrem Babykorb mitzunehmen, weil die Kleine nicht nur leichte Fieberschübe hatte, sondern sich auch vor alten Leuten fürchtete. Ich hätte es voraussehen können, Matilde ging liebend gern überallhin mit, nur nicht zu meiner Mutter. Keine Woche zuvor war sie ganz wild darauf gewesen, mit mir in den Nachtclub zu gehen, und nun wusste ich nicht, was ich Dubosc sagen sollte. Allein zum Abendessen zu erscheinen wäre dem Franzosen gegenüber, von dem mein beruflicher Erfolg zum Teil abhing, einem Affront gleichgekommen. Matilde beugte sich schließlich diesem Argument, im Übrigen konnte sie unsere Tochter wie immer dem Kindermädchen anvertrauen, einer kleinen Schwarzen, die fast zur Familie gehörte. Ich kannte sie praktisch seit ihrer Geburt, sie war die kleine Schwester meines Kumpels Balbino da draußen am Fuß der Berge. Balbino war neulich persönlich zum Chalet gekommen, um Eulalinha zu sehen, und hatte uns bei der Gelegenheit einen Korb voller Mangos von der Fazenda mitgebracht. Mir wurde er dann etwas unangenehm, weil er dauernd wegen nichts lachte und eine lilarote Hose trug, wie ich sie noch nie an einem Mann gesehen habe. Aber er steht in Matildes Gunst, seit er ihr das beste Pferd der Fazenda gesattelt hat. Sie hatte sich in den Rotfuchs verliebt und konnte es gar nicht abwarten, ihn wieder zu reiten, sobald ihre Brüste nicht mehr so schwer waren. Matildes Milch floss in Strömen, gerade eben hat sie zwei Fläschchen gefüllt, bevor sie das Kind angelegt hat. Ich habe ihr immer gern beim Stillen zugesehen, und wenn sie das Kind an die andere Brust nahm, ließ sie mich manchmal an der freien Brust nuckeln. Dadurch kamen wir etwas zu spät los, die beiden Fläschchen blieben nur vorsichtshalber bei Balbina, ein Abendessen bei meiner Mutter ging nicht länger als bis elf. Zu Lebzeiten meines Vaters, ja, da waren die Banketts in der Villa dafür berühmt, dass sie bis in den frühen Morgen dauerten, da saßen Politiker aller Couleurs am Tisch und die attraktivsten Frauen der Stadt. Im Garten brannten Fackeln, das Haus duftete nach Lavendel, selbst die Statuen waren frisch gewaschen, und ich, noch ein Kind, liebte es, wenige Minuten bevor das Fest begann, durch die stillen,

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