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Vergraben

Vergraben

Titel: Vergraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Cross
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hatte, wer er war.

    Noch bevor er den Flughafen Heathrow verließ, rief er Sara bei der Arbeit an. Sie nahm beim vierten Klingeln ab.
    »Nathan?«
    Eine heftige Sehnsucht überkam ihn. Es dauerte einen Moment, bis er sprechen konnte. Und dann brachte er nichts heraus als: »Hi.«
    »Wo hast du gesteckt ?«
    Sie war der Ansicht, dass seit dem Verlust seiner Arbeit, seiner Freundin und seiner Wohnung innerhalb weniger Wochen etwas in Nathans Gehirn nicht mehr ganz stimmte. Zu ihren Freunden hatte sie (mit ernstem, nicht unglücklichem Tonfall) gesagt: Nathan hatte einen Zusammenbruch .
    Er sagte: »Mir geht’s gut.« Es klang wahr, als er es sagte. Dann sagte er: »Ich war in Griechenland«, und es klang wie eine Lüge. Bevor sie weitere Fragen stellen konnte, fügte er hinzu: »Pass auf, ich habe kein Recht, dich darum zu bitten, aber ich brauche eine Referenz.«
    »Was für eine Referenz?«
    »Eine Referenz von einem Vermieter. Ich brauche eine Wohnung.«
    »Du rufst also an, um mich Folgendes zu bitten: ›Tu so, als wären wir nie zusammen gewesen, und schreib einen Brief, in dem steht, was für ein toller Mieter ich war.‹«
    »So in etwa. Ich weiß, es ist blöd, dich darum zu bitten.«
    Es war blöd, sie darum zu bitten. Aber aus Mitleid mit ihm sagte sie: »Na gut.«
    Er fuhr mit dem Zug in seine Stadt und mietete sich in ein billiges Hotel ein, dann duschte und rasierte er sich und ging eine Lokalzeitung kaufen.
    Am Nachmittag des nächsten Tages bezahlte er, ausgerüstet mit Saras Referenz, die Kaution und zwei Monatsmieten im Voraus für eine kleine, saubere Zweizimmerwohnung.
    Sie lag im obersten Stock direkt unter dem Dach eines großen viktorianischen Hauses. Im Erdgeschoss befand sich eine Kindertagesstätte; von seinem kleinen Schlafzimmer aus konnte er den Spielplatz sehen.
    Da es Sommer war und die Nächte kurz waren, konnte Nathan es sich leisten, die ersten beruhigenden Anzeichen der Morgendämmerung abzuwarten, bevor er zu schlafen versuchte – was bedeutete, dass er oft von den fröhlichen Rufen kleiner Kinder in der Spielstunde geweckt wurde. Während er im Bett lag, lauschte er ihnen, genau so, wie er auch in einem von der Sonne aufgewärmten Zelt liegen und einem plätschernden Bach hätte lauschen können.
    Die Kinderstimmen machten ihn glücklich. Ihre Existenz schien so wunderbar unglaublich, dass sie ihm Trost spendete. Er sah ihnen nie beim Spielen zu, weil er glaubte, dass sein Gesicht aus ihrer Perspektive – wie er aus dem kleinen, hohen Schlafzimmerfenster herunterspähte – gespenstisch und verloren aussehen würde, und das wollte er ihnen ersparen.
    Sogar ihr Weinen und ihre Wutanfälle klangen aus der Entfernung angenehm in seinen Ohren.
    Während er ihnen zuhörte, lag er da und fragte sich, wie er einen Job finden sollte.
    Es war leicht.
    Er ging zu einer Stellenvermittlung. Die Vermittlerin dort strafte seinen dürftigen Lebenslauf mit Verachtung und fragte in frostigem Tonfall, warum er seine »bisherige Arbeitsstelle« aufgegeben habe.
    Er atmete langsam ein, hielt einen Moment lang die Luft an und antwortete dann: »Ich wurde sozusagen eingespart.«
    »Sozusagen. Gab es eine Umstrukturierung?«
    »Nicht wirklich. Sozusagen.«
    »Sozusagen.«
    »Die Sendung, bei der ich gearbeitet habe, hieß Mark Derbyshires Lösung .«
    Nach einer kurzen Weile sagte sie »Verstehe«, auf eine bestimmte Art, die Nathan gut kannte. Genau so versteckten die Leute ihr plötzliches, brennendes Interesse für Prominente, selbst wenn es nur B-Promis waren. Sie sah Nathan in die Augen und sagte: »Das muss schrecklich für Sie gewesen sein.«
    »Na ja, schön war es nicht.«
    »Und wenn ich fragen darf – wie geht es ihm?«
    »Wem? Mark? Ich habe schon länger nicht mit ihm gesprochen.«
    »Verstehe«, sagte sie. »Ach ja. Das arme Mädchen.«
    So landete Nathan in der Kartei der Stellenvermittlung, und eine Woche später rief die Vermittlerin an, um ihm mitzuteilen, dass sie ihm ein vielversprechendes Vorstellungsgespräch bei einer renommierten Firma organisiert habe, von der er noch nie gehört hatte.

    Nathan besaß keinen Anzug für Vorstellungsgespräche und keine feinen Schuhe mehr, sie waren erst in der Waschmaschine und dann zusammengeknüllt in einer Plastiktüte im Wohlfahrtsladen gelandet.
    Am Montag stellte er sich bei Hermes Cards Ltd. für eine Stelle als Verkaufsleiter vor. Das Gespräch wurde von zwei Männern und zwei Frauen geführt, die hinter einem langen Tisch saßen, was

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