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Vergraben

Vergraben

Titel: Vergraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Cross
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ist mir egal.«
    »Das sollte er aber nicht. Er ist hundertmal so viel wert wie du. Tausendmal. Millionenmal.«
    »Wie dem auch sei. Ich habe keine Abfindung bekommen. Ich bin ohne einen Penny in der Tasche gegangen.«
    »Weil du wegen schwerwiegendem Fehlverhalten rausgeschmissen wurdest. Du hast versucht, mich auf meiner eigenen Party zu schlagen.«
    Nathan seufzte und sagte: »Warum tust du mir das an? Du hast nicht gerade viele Freunde zurzeit, oder?«
    »Du bist nicht mein Freund. Du warst mein Angestellter. Jetzt bist du nicht mal mehr das. Im Moment muss ich mich mit dem Sender gut stellen. Und wenn ich denen ein paar Kröten sparen kann, indem ich dich ohne weitere Ausgaben rausschmeiße und stattdessen so einen Praktikanten-Heini einstelle, der doppelt so viel für umsonst arbeitet, dann mache ich das.«
    »Du bist echt das Letzte.«
    »Tja. Willkommen in der Wirklichkeit. Das Leben ist kein Ponyhof.«
    »Aber ich hab nicht mal ein Dach über dem Kopf. Wo soll ich denn das Geld hernehmen?«
    »Hör zu. Ich wünsch dir viel Glück. Wirklich. Aber ich muss die Leitung freihalten, deshalb lege ich jetzt auf, okay? Also verpiss dich verdammt noch mal.«
    Aber er legte nicht auf. Er war verloren und einsam und verängstigt und sehnte sich danach, mit jemandem zu reden. Sogar mit Nathan.
    Der sagte: »Aber ich brauche Geld.«
    »Tun wir das nicht alle?«
    »Hör zu, Mark. Hör mir nur eine Minute zu. Bitte.«
    »Eine Minute«, sagte Mark Derbyshire. »Neunundfünfzig Sekunden. Achtundfünfzig Sekunden. Siebenundfünfzig Sekunden.«
    »Ich wurde gefeuert«, sagte Nathan. »Nicht eingespart. Was bedeutet, dass ich kein Arbeitslosengeld bekomme für … ich weiß nicht mal wie lange. Monate. Und ich muss aus meiner Wohnung ausziehen, weil ich mit meiner Freundin Schluss gemacht habe. Und sag jetzt nicht, ich soll sie rausschmeißen, denn es ist ihre Wohnung. Gestern hat mich einer von der Klatschpresse angerufen. Ich weiß nicht, woher die meinen Namen oder meine Nummer haben, aber sie wollten mir – und das meine ich ernst – sie wollten mir eine ungeheure Summe zahlen.«
    Mark Derbyshire hörte auf, herunterzuzählen.
    »Wofür wollten sie dich bezahlen?«
    »Dass ich über dich spreche.«
    Es folgte eine weitere, längere Pause, bevor Mark fragte: »Wie, über mich sprechen?«
    »Ich sage alles, was sie hören wollen«, sagte Nathan. »Ich kann’s mir nicht leisten zu schweigen.«
    Er fühlte sich nicht einmal leer. Er fühlte sich, als existierte er gar nicht.
    »Du lieber Himmel«, sagte Mark. »Wie viel willst du?«
    »Dreißig Riesen.«
    »Vergiss es. So viel hab ich nicht.«
    »Dann verkauf irgendwas. Sie haben mir fünfzig geboten.«
    »Und wenn ich zahle? Woher weiß ich, dass du nicht trotzdem zu den Zeitungen rennst?«
    »Weil ich es dir sage. Du musst mir vertrauen.«
    Drei Tage später wurden 30.000 Pfund auf Nathans Konto überwiesen. Noch am selben Morgen stopfte er seine Habseligkeiten in eine schwarze Nylon-Reisetasche.
    Er hielt einen Augenblick inne und betrachtete die Dinge, die er zurückließ: seine CDs, ein paar Bücher, einige Videos. Seinen Fernseher, seine Stereoanlage, sein Sofa.
    Nichts davon bedeutete ihm etwas. Er konnte sich nicht mehr vorstellen, dass das je anders gewesen war.
    Er verließ die Wohnung und mietete sich in einem Bed&Breakfast-Hotel an der Küste ein – die Art von Unterkunft, die es eigentlich seit etwa 1975 nicht mehr gab. Es war eine Kulisse für immer wieder ausgestrahlte Sitcoms, für Sendungen mit Lachkonserven, die eingeschränkte Lebenswege in einem früheren England begleiteten.
    Aber es war echt. Er warf seine Tasche auf das Einzelbett und schlief bei eingeschaltetem Licht.

    Drei Wochen nach Elises Verschwinden konnte Nathan es aushalten, ihre Eltern und ihre Schwester in den Lokalnachrichten zu sehen, wo sie um ihre sichere Rückkehr flehten. Er starrte auf den Bildschirm.
    Die Familie wusste, dass Elise nicht zurückkommen würde. Er erkannte es an der Art, wie sie in die Kamera schauten. An der Art, wie sie durch sie hindurch schauten, direkt auf ihn.

    Anfang März 1998 war zur Presse durchgesickert, dass die Polizei Mark Derbyshire zu dem Fall verhörte. Darüber wurde viel berichtet. Aus dem Fernsehen erfuhr Nathan, dass ein »Gegenstand, der mit dem Fall in Zusammenhang steht« auf Marks Grundstück gefunden worden war. Das wunderte Nathan nicht, schließlich war bekannt, dass Elise dort gewesen war. Weiß Gott, was sie wohl verloren oder vergessen

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