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Vergraben

Vergraben

Titel: Vergraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Cross
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Absicht die Tür so stark zu, dass sie im Türrahmen wackelte.
    Er fuhr seinen Rechner hoch und lauschte dabei seinem mysteriösen inneren Ticken und Surren, dann gab er das Passwort ein.
    Es klopfte an der Tür. Es war Angela, die Sachbearbeiterin der Abteilung.
    »Ist mit dir alles in Ordnung?«, fragte sie.
    »Ja, du weißt schon.«
    Scheinbar tat sie das. Sie drückte die Handfläche gegen ihre nach oben gestreckten Fingerspitzen.
    »Tee?«
    Er lächelte sie an, für ihre selbstverständliche englische Überzeugung, dass es kein Problem auf der Welt gab, das eine Tasse Tee nicht wenigstens erträglicher machen konnte.
    »Ja, bitte«, sagte er.
    Zehn Minuten später brachte sie ihm den Tee. Sie hatte ihn genau so zubereitet, wie er ihn mochte: stark, mit Milch und einem Stück Zucker. Daneben legte sie ihm vier Marmeladenplätzchen, Nathans Lieblingskekse, auf den Schreibtisch. Bis das Wasser gekocht hatte, war sie schnell zum Laden um die Ecke gelaufen, um sie zu holen.
    Als Nathan die Kekse sah, ein Symbol für etwas Verlorenes, überkam ihn das Bedürfnis zu weinen.
    Und Angela stand da und nickte leicht, als würde sie ihn genau verstehen.

18
    Am Freitag bestellte Nathan Blumen. Er gab dem Blumenladen seine Kreditkartendaten und sagte, der Preis spiele keine Rolle – er wolle, dass die Blumen schön, aber nicht pompös wirkten. Sie sollten genau so aussehen, als hätte er viel Zeit damit verbracht, mit einem Blumenhändler darüber zu diskutieren. Am Samstagmorgen holte er sie ab.
    Im Laden war es unangenehm feucht. Blasses Sonnenlicht schien durch ein Glasdach auf das tiefgrüne Blattwerk. Die Fliesen unter Nathans Füßen waren nass.
    Die Floristinnen waren eine rundliche Japanerin und eine schlanke Schottin mit kupferfarbenem Bürstenschnitt. Sie freuten sich, ihn zu sehen, und nachdem sie sich am Morgen beim Kaffee ausgiebig über ihn, den besten Kunden der Woche, ausgetauscht hatten, kümmerten sie sich um ihn, als wären sie seine persönlichen Dienerinnen. Sie erklärten ihm, wie die einzelnen Blumen hießen, was sie bedeuteten und warum sie sie ausgesucht hatten. Sie wickelten den Strauß in Folie und braunes Papier, banden eine Schleife darum und überreichten ihn Nathan feierlich.
    Er verließ den Laden und hielt die Blumen im Arm wie eine riesige Opfergabe. Er merkte, dass die Leute ihm nachsahen, wie er in einen langen Mantel gehüllt einen so großen Blumenstrauß trug. Er wusste, was sie dachten, und es gefiel ihm, dass sie recht hatten. Schließlich fand er sogar den Mut, einige Blicke zu erwidern und einem Rentnerpaar in taubenblauen Regenmänteln und vernünftigem Schuhwerk verschwörerisch zuzulächeln.
    Er legte den Strauß auf die Rückbank seines Wagens, der von der Autowäsche noch leicht chemisch roch. Er schaltete das Radio ein und klappte einen Straßenatlas auf seinem Schoß auf. Nach und nach füllte sich das Auto mit dem schweren Blumenduft.
    Er war unkonzentriert, als er aus der Stadt hinausfuhr.
    Erst nach einer Weile sah er sich um. Er kam an einer Weide mit ein paar vereinzelten Rindern vorbei. Er las den Namen des Städtchens Sutton Down auf einem Schild.
    Er nahm eine Straße durch den Wald, in dem Elise Fox mit dem Gesicht nach unten vergraben lag. Er suchte nach der Einfahrt in den dunklen, namenlosen Weg, sah sie aber nicht.
    Sobald er aus dem Wald draußen war, blieb er auf dem grasbewachsenen Straßenrand stehen, bis sein Herzschlag sich normalisiert hatte. Er brauchte einen Drink und er brauchte eine Zigarette. Aber er wollte auch sauber riechen. Er wollte aussehen, als sei er gerade aus der Dusche gekommen, strahlend und gut aussehend und selbstbewusst.

    Er erkannte Sutton Down nicht wieder. In der Nacht, als er durchgefahren war, hatte er in der Dunkelheit nur vage Umrisse wahrgenommen. Jetzt sah er, dass das Zentrum aus einer langen, ovalen Dorfwiese bestand. Es gab einen urigen Pub mit niedriger Decke und einem Schild in keltischer Schrift.
    Nachdem er die Dorfwiese dreimal umrundet hatte, fand er das richtige Haus: Es war drei- bis vierhundert Jahre alt und lag hinter knorrigen Apfelbäumen, die gerade zu blühen begannen. Er parkte den Wagen auf dem grasbewachsenen Straßenrand. Er holte seinen Mantel vom Rücksitz und zog ihn an. Der Mantel hatte überall dunkle Flecken, wo das Wasser vom Blumenstrauß, den er darauf abgelegt hatte, heruntergetropft war. Auf der Brust hatte er einen goldenen Streifen Blütenstaub.
    Er nahm die Blumen sanft unter den Arm und

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