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Vergraben

Vergraben

Titel: Vergraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Cross
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Tür. Graham machte auf. Jetzt im Frühling trug er kurzärmelige Pastellhemden.
    Graham sagte, er freue sich, ihn zu sehen. Er schüttelte Nathan die Hand und bat ihn herein.
    Die Vorderseite des Hauses war düster und kühl. Aber die Morgensonne schien in die Küche und den Wintergarten. Nathan ging auf das Licht zu; Graham folgte ihm.
    Draußen blühte der Obstgarten. Die Küchenfenster standen offen, um die frische grüne Luft hereinzulassen.
    »Tee?«, fragte Graham.
    Es war zu einem Ritual geworden, dass Graham Tee anbot und Nathan sich dann bereit erklärte, ihn zu machen. Aber heute schien das unpassend, also räusperte Nathan sich und antwortete: »Ja, sehr gerne.«
    »Okidoki«, sagte Graham und griff nach dem Wasserkocher. Er öffnete das Fenster noch weiter und rief June zu, dass Nathan gekommen war. Nathan hörte, dass sie antwortete, konnte es aber nicht verstehen.
    Sie kam in einer Breitcordhose mit Erde an den Knien herein und einem Anorak, der dem Schnitt und der Farbe nach aus den Siebzigern stammte. Leute wie June warfen nie etwas weg. Nathan bewunderte das. Die Gartenschere lag hässlich in ihrer Hand und erinnerte an einen Chirurgen.
    Er küsste sie auf die Wange. »Was machst du?«
    »Ich treibe Flieder aus toter Erde«, zitierte sie.
    Sie bemerkte seinen Gesichtsausdruck, sagte »egal« und hängte den Anorak über eine Stuhllehne. Dann zog sie ihre Gartenhandschuhe aus und legte sie neben die Spüle mit den Worten: »Holly ist in die Stadt gegangen. Wahrscheinlich kommt sie bald zurück. Ich glaube, sie wollte einen Rock zurückgeben.«
    Nathan hüstelte und sagte: »Ich weiß.«
    Dann, bevor er es sich anders überlegen konnte, fügte er hinzu: »Ich würde gerne mit euch über etwas sprechen.«
    Graham und June standen nebeneinander. Zögernd griff June nach Grahams Hand.
    Nathan fuhr fort: »Ich weiß, dass wir, Holly und ich … Ich weiß, dass wir uns noch nicht sehr lange kennen. Aber es ist so … es ist so, dass das die glücklichste Zeit meines Lebens war. Ihr sollt nicht denken, dass wir uns in etwas hineinstürzen. Und ihr sollt auch nicht denken, dass ich so was oft mache. Denn das tue ich wirklich nicht. Nie.«
    »Worauf willst du hinaus?«
    »Also, wir möchten … mit eurer Erlaubnis … Wir möchten heiraten. Wenn ihr einverstanden seid.«
    Nun, nachdem es heraus war, fühlte er sich erschöpft und unsicher.
    Er schaute an ihnen vorbei, auf die blühende Obstwiese am Ende des Gartens. Es war so still in der Küche. Nur das Ticken der Wanduhr war zu hören, das Krächzen der Vögel draußen.
    Graham und June hatten nicht einmal einen Blick getauscht. Aber June drückte Grahams Hand.
    Graham sagte: »Das wäre uns eine Ehre.«
    Nathan schüttelte die ihm dargebotene Hand mit angemessener Förmlichkeit.

    Holly kam eine Stunde später nach Hause. Sie öffnete die angelehnte Tür und rief erwartungsvoll: »Hallo?«
    Der Champagner war schon halb ausgetrunken und Junes Blumen standen in einer Vase.
    Holly trat in die Küche. »Er hat es euch also gesagt?«
    June und Holly fassten sich an den Händen und schluchzten glücklich und traurig zugleich. Graham trat einen Schritt zurück und blickte auf seine Schuhe. Nachdem June Holly losgelassen hatte, umarmte er seine Tochter. Er küsste sie auf die Wange und flüsterte ihr etwas zu. Daraufhin drückte sie seine Hand, verdrehte die Augen und nickte.
    Nathan stand in einer Ecke des Wintergartens und sah ihnen zu, während das Sonnenlicht hinter ihm hereinfiel und eine schwache, bernsteinfarbene Raute auf den Boden warf.

21
    Eine Woche vor Hollys dreißigstem Geburtstag reservierte sie einen Tisch in einem griechischen Restaurant, damit Nathan ihre Freunde kennenlernen konnte. Er kam zu spät und eilte mit den Blumen im Arm, die er als Geschenk für Hollys Trauzeugin gekauft hatte, die Treppe hinauf.
    Fünf Frauen und ein Mann saßen an einem langen Tisch, Holly in der Mitte neben Nathans leerem Platz.
    Atemlos hielt Nathan die Blumen vorsorglich dem ganzen Tisch hin und verkündete: »Die sind für Jacki.«
    Aus der Tatsache, dass alle Gesichter sich einer Person zuwandten, schloss er, dass Jacki die Frau war, die Holly gegenübersaß. Sie sah ihn an und stand lächelnd auf.
    Er erkannte sie sofort als die Polizistin, die mit Kommissar William Holloway zu ihm in die Wohnung gekommen war. Er erinnerte sich daran, wie sie still dagestanden und den vorbeifahrenden Bussen nachgesehen hatte.
    »Nathan?«, fragte sie.
    Er nickte.
    »Komm,

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