Verhängnisvoll - Felsing, K: Verhängnisvoll
stundenlang wachliegen lassen. Wie sehr hat er sich ein Nachtlicht gewünscht.
„Wo ist der Kerl?“
„Was für ein Kerl? Hast du sie nicht alle?“
Ben schiebt Sally bis zu ihrem Kleiderschrank und stößt sie mit dem Rücken dagegen. Mit einem Ruck schleudert er sie herum, packt ihren Arm und fixiert ihn im Polizeigriff. „Mach auf und hol das Geld raus.“ Wenn sie es schon nicht nutzt, um abzuhauen, dann soll sie es wenigstens ihm geben. Er wüsste schon, was er damit macht.
Sally heult. „Ich weiß nicht, was du meinst.“ Ihr Jammern mündet in Schluchzen.
„Deine Geldschatulle.“
Sie wird wütend. „Wenn ich Geld hätte, wäre ich schon lange weg.“
Er drückt ihren Arm fester nach oben. Sally kreischt und sackt mit dem Oberkörper nach vorn.
„Verarsch mich nicht, du Nutte!“
„Es kommt jemand ans Fenster, Mr. Ogan.“
Er schreckt auf. „Schieb das Sofa beiseite, aber nur eine Handbreit.“
Es drei
nimmt nacheinander mehrere Wasserflaschen entgegen und stellt sie auf den Boden. Danach eine Kaffeekanne und einen Topf, Löffel, Becher und zuletzt das Päckchen mit den Traubenzuckertabletten. Ohne dass es einer Aufforderung bedarf, zieht
Es
das Sofa zurück in Position und bringt die Getränke in die Zimmerecke. Während
Es
beginnt, den anderen löffelweise Suppe einzuflößen, schenkt Ben sich Kaffee ein. Er hat den Becher fast an die Lippen angesetzt, da schleudert er ihn quer durchs Zimmer.
„Halts Maul“, zischt er
Es drei
an, obwohl
Es
nichts gesagt hat. Vielleicht haben sie irgendwas in den Kaffee getan, das ihn ausknockt. Dann schilt er sich einen Narren. Sie können ihn nicht vergiften, immerhin besteht die Möglichkeit, dass nicht nur er den Kaffee trinkt. Er gießt erneut ein. „Trink das!“
„Mr. Ogan, geben Sie auf. Wir wollen das hier beenden, ohne dass jemand zu Schaden kommt. Weder Ihren Geiseln soll etwas geschehen noch Ihnen.“
„Sally, hörst du mich?“
„Wir hören Sie.“
„Erinnerst du dich an deinen Kleiderschrank? Was hattest du darin versteckt?“
Diese Frage hat ihn all die Jahre nicht losgelassen. Warum hat sie das Geld nicht genommen und ist abgehauen? Wenn sie ihn so hasst, wieso ist sie dann mit ihm in einem Haus geblieben? Sie hätte ihm das Geld geben können und er wäre freiwillig gegangen. Mit Jaclyn.
Schmerz brennt sich durch seine Eingeweide. Wie lange hat er nicht an sie gedacht? Fünfzehn Jahre. Verfluchte scheiß Jahre.
Lange genug hat er um Sallys und Moms Zuneigung gekämpft, vergeblich versucht, ihre Liebe zurückzugewinnen. An Tami hat er niemals denken dürfen. Und dann hat er Jaclyn kennengelernt und sie war das beste, was ihm je im Leben passiert ist.
„Antworte mir! Was war in deinem Kleiderschrank?“
Er lauscht den Stimmen, kann nicht verstehen, was sie sagen. Vor dem Einsatzkommando dort draußen wird sie erst recht nicht zugeben, was sie versteckt hatte. Wahrscheinlich war es dieser Zuhälter, der Kerl, dessen Stimme er gehört hat.
Ihm wird es zu blöd. „Dann eben nicht, du blöde Nutte!“
Dieses Mal erntet er ein wütendes Kreischen. „Nenn mich nie wieder so, hörst du? Du hast kein recht, mich so zu bezeichnen. Ich sagte es schon mal: Fahr zur Hölle!“
„Wenn ich dorthin gehe, gehst du mit.“
„In deinen Träumen. Ich hoffe, sie jagen dir eine Kugel in dein vermatschtes Hirn.“
„Klar. Du hast mich schon als Junge gehasst und mich loswerden wollen. Warum habt ihr mich im Keller nicht gleich verhungern lassen?“
Ihr Schweigen spricht Bände.
„Ich war zwölf, verdammt. Wie habe ich wissen sollen, was er euch antut?“
„Du weißt, dass es darum längst nicht mehr geht.“
„Oh, du irrst. Es ging nie um etwas anderes.“ Ben hackt im Takt mit der Messerspitze in den Holzboden. Nie ging es um etwas anderes. Er hat unter dem Verlust von Dakota und Tami mindestens so sehr gelitten wie sie. Weshalb mussten sie ihn strafen für etwas, das er nicht zu verantworten hatte? „Ihr habt euren Hass auf ihn auf mich projiziert und mir all das angetan, was ihr ihm gern angetan hättet.“
Sally schweigt.
„Mr. Ogan. Bitte lassen Sie die Geiseln frei.“
„Nutte! Es war so klar, dass du dich aus der Verantwortung stiehlst.“
Draußen fällt etwas um. Ein Lichtblitz zuckt durch den schmalen Spalt zwischen Sofa und Fenster, ein dumpfer Fluch. Vermutlich ist einer der Scheinwerfer umgef…
„Du verdammter Scheißkerl!“ Etwas hämmert gegen die Bohlen der Hütte.
Ben sitzt augenblicklich aufrecht,
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