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Verhängnisvoll - Felsing, K: Verhängnisvoll

Verhängnisvoll - Felsing, K: Verhängnisvoll

Titel: Verhängnisvoll - Felsing, K: Verhängnisvoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Felsing
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einer Pflegefamilie untergebracht, er hat sie nicht einmal bei Grandpas Beerdigung gesehen, geschweige denn je wieder.
    Vor einer Schaufensterscheibe bleibt er stehen und tut, als betrachtete er die Hi-Fi-Anlagen. In Wahrheit mustert er sein Gesicht. Keine Regung verrät, was hinter seiner Stirn vorgeht. Er hat sich gut im Griff, das haben Dr. Moran und Mrs. Alvarado immer wieder bestätigt.
    Er mag sie, auch wenn sie ihm nicht wirklich geholfen haben.
    Weder hat Mommy die Wahrheit gesagt noch liebt Sally ihn wieder.
    Tami ist auch nicht zurückgekommen.
    Sie vermisst er am meisten, aber sogar wenn er an Dakota denkt, könnte er heulen wie ein Baby. Sally sieht er nur selten und wenn, dann nur aus der Ferne. Mommy weiß es zu verhindern. Damals hat er überhaupt nicht kapiert, was eigentlich passiert ist. Ihm ist erst viel später bewusst geworden, was
sexueller Missbrauch
bedeutet. Genau wie er Jahre für das mit der
Nutte
gebraucht hat. Im Lernen macht ihm niemand etwas vor, aber was solche Dinge betrifft, ist er ein Lahmarsch und kapiert als Letzter, was Sache ist.
    Mädchen sind da mit zwölf schon weiter, beruhigt er sich. Er hat nicht wissen müssen, was hinter den Türen zu ihren Schlafzimmern vor sich geht. Er hat es nicht einmal geahnt.
    Aber Mommy wusste es. Er erinnert sich genau an eine Nacht, in der er nicht schlafen konnte und vor Sallys Tür stand. Er hat sie weinen gehört und geglaubt, dass sie wieder Schläge bekommen hat. Wie so oft hat er sich nicht getraut, hineinzugehen, aus Angst, zurückgestoßen zu werden. Plötzlich lag Mommys Hand auf seiner Schulter.
    „Geh ins Bett, Ben“
, hat sie geflüstert, nachdem sie ihn von der Tür weggezogen hat.
    Später hat er Sallys Zimmertür klappern gehört. Jemand ist herausgekommen, und er hat gehofft, Sally möge gleich unter seine Decke schlüpfen. Er hat vergeblich gewartet, bis die Tränen ihn in den Schlaf geschwemmt haben. Heute ist ihm klar, wer da herausgekommen ist und warum.
    Aus Sallys Zimmer, aus Dakotas Zimmer, aus Tamis Zimmer.
    All die kleinen Geräusche, die ihm nachts Angst gemacht haben, bekommen seither einen Sinn. Das leise Jammern, das Knarren des Holzes.
    Nicht der Wind und nicht das alte Gebälk des Bungalows.
    Wahrscheinlich, denkt Ben, und wirft einen letzten Blick auf sein Spiegelbild, sieht er jetzt ungefähr aus wie sein Vater, als Mommy ihn kennengelernt hat. Er kennt ein paar alte Fotos. Bis auf die Frisur ist er ihm in der Tat wie aus dem Gesicht geschnitten.
    „Los, Ben. Geh in den Keller, bis Sally gegessen hat. Sie kann deinen Anblick nicht ertragen, du erinnerst sie zu sehr an …“
    Die einsamen Stunden sind immer länger geworden. Anfangs hat er freiwillig auf der untersten Treppenstufe gehockt und gewartet, bis er wieder hochgerufen wurde. Hat sich gefragt, warum er nicht in sein Zimmer gehen und lernen darf, aber keine Antwort gefunden. So lange, bis ihm die Wahrheit klar geworden ist. Sie wären ihn beide am liebsten los. Den Kopf an ein Heizungsrohr gepresst hat er gehört, was oben gesprochen wurde, bis es ihn nicht mehr interessiert hat.
    „Ben ist bei einem Freund zum Lernen. Ja, der Junge entwickelt sich prächtig, aus dem wird noch mal was. Tut mir leid, Ben schläft gerade, ich möchte ihn nicht wecken.“
    Einmal hat er, während ein Besucher oben weilte, mit einer leeren Flasche im Takt ans Rohr geklopft.
    „Oh, wir müssen unbedingt das System überprüfen lassen. Die Heizung tut es seit dem letzten Winter nicht mehr richtig.“
    Er hätte anders klopfen können, fester, lauter und nicht so rhythmisch.
    Er hätte um Hilfe rufen können – aber dann wären sie gekommen und hätten ihn wie Tami zu fremden Leuten gebracht. Nein, er hat ausgeharrt. Hat alles getan, um Mommy und Sally nicht auch noch zu verlieren. Wenn er oben sein durfte, hat er geputzt und aufgeräumt, sogar gekocht. Der einzige Lohn blieb, dass er beim nächsten Besucher nicht mehr frei im Keller herumlaufen durfte, sondern sich in die Kartoffelkiste kauern musste.
    Und von da an immer häufiger.

    Simba umfasste ihre Pobacken und zog Reese noch näher an sich. Fuck! Was hatte er da gesagt? Das Denken hatte sein Gehirn unbestreitbar an seinen Schwanz abgetreten. Die Härte schmerzte. Wut kribbelte in seinem Bauch. Er wollte nicht, was er hier tat. In ihren Armen fühlte er sich wie ein anderer Mensch. Einer, der bereit war, Gefühle zuzulassen. Wie der, der er nicht mehr war, nicht mehr sein durfte. Er lehnte das Kinn an Reeses Stirn

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